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Christian Fürchtegott ©eifert. (1715—1769.)
Dein weiser Rat lehrt Vorurteile hassen,
40 Erhellt den Witz, und macht das Herz gelassen.
Zufriedenheit besänftigt unsern Mut,
lind sie allein nennt jede Fügung gut.
Selbst im Palast, wie in beschilften Häusern,
Ist keine Zeit ihr golden oder eisern.
45 Du bist daher, in Rom und in Athen,
Ein Aristipp, und nicht ein Diogen.')
Den Größesten, den Schönsten zu gefallen,
Die Gabe schenkt das karge Glück nicht allen.
Wie deren Ruhm die Ewigkeit gewinnt,
50 Die Weisen hold und Dichtern günstig sind,
So wird nicht der zum Thron der Ehre dringen,
Den Weise scheu'n und Dichter nie besingen.
Doch was sie mehr, als aller Beifall ehrt.
Mein Freund Horaz, das ist ihr eigner Wert:
55 Mit eignem Wert, als einem Schirm, umgeben,
Heißt jeder Tag dich, sonder Aufschub, leben.
Wann werd' ich einst, in unbelauschter Ruh',
Nicht so berühmt, nur so vergnügt, wie du?
Wohlthaten.
Wer übertrifft den, der sich mild erzeigt?
Der seltne Freund, der es zugleich verschweigt.
11. Christian Fürchtegott Gellert,
geboren den 4. Juli 1715 zu Hainichen im sächsischen Erzgebirge, frühe schon dichtend, 1729 auf der Fürstenschule zu
Meißen mit Rabener und Gärtner befreundet, 1734 aus der Universität Leipzig, um Theologie zu studieren, daraus Haus¬
lehrer, 1741 wieder in Leipzig, 1744 Magister, 1751 außerordentlicher Professor der Philosophie, stirbt, allgemein betrauert,
den 13. December 1769.
Werkc: Geistliche Oden und Lieder, Fabeln und Erzählungen, Lehrgedichte, Schauspiele. Leben der schwedischen
Gräfin v. E., moralische Vorlesungen und Briefe.
Gottes Macht
1. Gott ist mein Lied!
Er ist der Gott der Stärke;
Hehr ist sein Nam' und groß sind seine
Werke,
Und alle Himmel sein Gebiet.
2. Er will und spricht's:
So sind und leben Welten.
Und er gebeut: so fallen durch sein Schelten
Die Himmel wieder in ihr Nichts.
3. Licht ist sein Kleid,
Und seine Wahl das Beste;
Er herrscht als Gott, und seines Thrones
Feste
Ist Wahrheit und Gerechtigkeit.
4. Unendlich reich,
Ein Meer von Seligkeiten,
Ohn' Anfang Gott und Gott in ew'gen
Zeiten!
Herr aller Welt, wer ist dir gleich?
und Borschung.
5. Was ist und war
In Himmel, Erd' und Meere,
Das kennet Gott, und seiner Werke Heere
Sind ewig vor ihm offenbar.'
6. Er ist um mich,
Schafft, daß ich sicher ruhe;
Er schafft, was ich vor- oder nachmals
thue,
Und er erforschet mich und dich.
.
7. Er ist dir nah'.
Du sitzest oder gehest;
Ob du ans Meer, ob du gen Himmel
flöhest:
So ist er allenthalben da.
8. Er kennt mein Flehn
Und allen Rat der Seele;
Er weiß, wie oft ich Gutes thu' und fehle,
Und eilt, mir gnädig beizustehn.
1) Ein Vergnügter, und nicht ein Entbehrender.