I. Zirv Gefthirt)te dev Knltrrv und
Weltanschauung.
45. Das Antlitz der Erde in seinem Einfluß ans die Knttnrvrrbreitung.
Schon aus dem griechischen Altertum erklingt der Streit über die
Vormacht zwischen Erde und Menschheit. Die neuere Erdkunde hat ihn
unparteiisch geschlichtet. Plato, zufolge der idealistischen Richtung seiner
gesamten Weltanschauung in dieser Streitsache entschieden Parteimann, fällt
das Urteil: Nicht das Land hat sein Volk zu eigen, sondern das Volk sein
Land. Gründlichere Betrachtung enthüllt uns jedoch überall ein stetes
Wechselverhältnis von Land und Volk, Menschheit und Erde. So gewiß
die Menschheit zu keiner Zeit in allen ihren Zuständen, in allen ihren
Taten unmittelbar abhängig war von der Mutter Erde, so vermag sie sich
doch nie und nimmermehr aus deren Banden zu lösen.
Und wer könnte heutzutage bezweifeln, daß die Gewalt unseres Planeten
über unser Geschlecht größer sei als die der Menschheit über die Erde?
Wohl trifft gegenwärtig mehr denn je der Sophokleische Triumphgesang
zu: „Nichts ist gewaltiger als der Mensch", indessen doch nur im Vergleich
mit den übrigen Geschöpfen, unter denen er sich kraft seiner Geistes¬
entfaltung die Oberhand gewann. Mit den niedersten Organismen des
Tier- und Pflanzenreiches teilt der Mensch sozusagen die Rangliste im
Weltall: er ist ein Geschöpf, eine Geburt des Erdplaneten. Er bleibt wie
alle die anderen Lebewesen dieses kleinen Weltkörpers an bestimmte Ober¬
flächenteile desselben gekettet; schon in mäßiger Tiefe unter unseren Sohlen
läßt uns die Gluthitze des Erdinneren nicht leben, und selbst vorübergehend
als Luftschiffer vermag der Mensch nur wenige Kilometer ins Luftmeer
sich zu erheben, weil ihn furchtbare Kälte nebst Sauerstoffmangel aus den
ätherischen Höhen zurückscheucht. Ja, dies räumlich so eingeschränkte Dasein
der Menschen auf Erden ist nicht einmal von Ewigkeit zu Ewigkeit; nein,
es fügt sich auch zeitlich in enge Schranken, wie sie von der Erdnatur be¬
stimmt werden. Wie gern träumen wir davon, die Erde sei nur für uns
erschaffen! Aber wir wissen doch jetzt, daß der Erdball einstmals Millionen
von Jahren durch den Weltenraum in kreisähnlichen Bahnen dahinsanste,
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