Full text: Deutsche Lyrik des 19. Jahrhunderts

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Gottfried Keller. 
An den Äther. 
Allewiger und unbegrenzter Äther! 
Durchs Engste, wie durchs Weiteste Ergoßner! 
Von keinem Ring des Daseins Ausgeschloßner! 
Von jedem Hauch des Lebens still Durchwehter! 
Des Unerforschten einziger Vertreter! 
Sein erster und sein würdigster Entsproßner! 
Von ihm allein in tiefster Ruh Umsloßner! 
Dir gegenüber werd' auch ich ein Beter! 
Mein schweifend Auge, das dich gern umspannte, 
Schließt sich vor dir in Ehrfurcht, eh es scheitert, 
Denn nichts ermißt der Blick als seine Schranken. 
So auch mein Geist vor Gott, denn er erkannte, 
Daß er, umfaßt, sich nie so sehr erweitert. 
Den Allumsasser wieder zu umranken. 
Gottfried tteller. 
Geb. 1819 in Glattfelden in der Schweiz, gest. 1890 in Zürich. — 
„Gedichte" 1846) 
An das Vaterland. 
O mein Heimatland! O mein Vaterland! 
Wie so innig, feurig lieb' ich dich! 
Schönste Ros', ob jede mir verblich, 
Duftest noch an meinem öden Strand! 
Als ich arm, doch froh, fremdes Land durchstrich, 
Königsglanz mit deinen Bergen maß, 
Thronenflitter bald ob dir vergaß. 
Wie war da der Bettler stolz aus dich! 
Als ich fern dir war, o Helvetia! 
Faßte manchmal mich ein tiefes Leid; 
Doch wie kehrte schnell es sich in Freud', 
Wenn ich einen deiner Söhne sah! 
O mein Schweizerland, all' mein Gut und Hab! 
Wann dereinst die letzte Stunde kommt, 
Ob ich Schwacher dir auch nichts gefrommt. 
Nicht versage mir ein stilles Grab!
	        
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