Conrad Ferdinand Meyer.
241
Dann streift er den Linken ab sogleich, —
Er sitzt so warm, er sitzt so weich! —
Und wirft ihn sacht zum Rechten nieder
Und denkt: „Handschuhe sind Zwillingsbrüder:
Der eine ohne den andern ist
Ein wertlos Ding für Jud' und Christ;
Barhändig will ich weitertraben,
Der Finder muß sie beide haben." —
Er läßt sein Roßlein fürbaß gehn
Durch Schneegestöber und Windeswehn
Im Dorfe wärmt er die starren Hände,
Dem Bäuerlein reicht er die Liebesspende
Und redet ihm zu manch tröstliches Wort,
Von Streit und Frieden, von hier und dort.
Spät kehrt er heim in finstrer Nacht,
Hat seiner Handschuh nicht gedacht.
Der gute Alte, nun ist er tot,
Er ging hinein ins Morgenrot.
Zch kannt' ihn, als ich ein Knabe war,
Den freundlichen Herrn im silbernen Haar.
Zu Pömbsen an der Kirchentür,
Da schläft er vierzig Jahre schier
Recht unter dem blühenden Fliederbaum.
Gott mag ihm einen seligen Traum
Und zum Ehrenkleide in jenem Leben
Zwei warme weiche Handschuh geben.
Lonrad Ferdinand Meyer
(geb. 1825 in Zürich, gest. 1898 in Kilchberg bei Zürich. —
„Huttens letzte Tage" 1871)
Aus der Dichlung „Huttens letzte Tage".
Gloriola.
Wir malten eine Sonnenuhr zum Spaß,
Als ich in Fuldas Klosterschule saß.
Ringsum eiu Spruch gedankentief und fein
Und schlagend mußte nun ersonnen sein.
Consbruch u. Klincksieck, Deutsche Lyrik. lg