VI Uartmann von Aue. 
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VI. Aus dem armen Heinrich. 
Hart man ns von Aue. 
Herr Hartmann, Dienstmann der Herren zu Aue in Schwaben, ist geboren 
um 1170. Er genoß die gewöhnliche klösterliche Schulbildung, lernte lesen und 
schreiben, Lateinisch und Französisch. Auch die ritterlichen Übungen vernachlässigte 
er nicht; so wurde ihm Mitte der 90er Jahre die Ritterwürde zuteil. Großen 
Schmerz bereitete ihm der Tod seines Herrn Nun wollte er nichts mehr wissen 
von der Freude dieser Welt; nur auf das ewige Heil war sein Sinn gerichtet. 
Deshalb nahm er an dem Kreuzzug von 1197 teil. Daß ihn ernster, frommer 
Sinn dazu trieb, bezeugen seine Kreuzlieder. Er starb wahrscheinlich kurz vor 1220. 
Was Heinrich von Veldeke begonnen, hat Hartmann fortgesetzt. Impfte jener 
das erste Reis höfischer Dichtung in deutscher Zunge, so verpflanzte dieser die 
Artussage in unser Vaterland, indem er diesbezügliche Werke des Crestien de 
Troyes übersetzte, der die ursprünglich keltische Tradition in ein Gewand gekleidet 
hatte, das der französischen höfischen Gesellschaft des 12. Jahrhunderts zusagte. 
Allerdings that er dies nicht sklavisch. Er hat es verstanden, der Übertragung 
einen höheren Wert zu geben als seiner Vorlage, und zwar dadurch, daß er uns 
einen Einblick in das Seelenleben seiner Helden gewährt und die ritterlichen 
Tugenden der Ehre und Treue in den Vordergrund rückt. Seine glatte, fließende 
Darstellung machte ihn zu einem der beliebtesten Dichter seiner Zeit. 
Die beiden nach Crestien de Troyes bearbeiteten Artusromane sind 'Erec und 
Enite’ (Ausgabe von Haupt 1839, 2. Auflage 1871) und 'Jwein’*) (Ausgabe 
von Benecke und Lachmann 1843, 4. Auflage 1877). Auf einem ganz andern 
Gebiet bewegt sich die asketisch-legendarische Erzählung 'Gregorius auf dem 
Steine’ (herausgegeben von Lachmann 1838). Verwandten Inhalts ist der 'Arme 
Heinrich’, eine poetische Erzählung, nach einer lateinischen Vorlage zum Lobe 
der Herren von Aue und zur Verherrlichung treuer Hingebung gedichtet, Aus¬ 
gaben von Grimm, 1815, dann von Lachmann, W. Midier, Haupt-Martin und 
W. Wackemagel. Übersetzungen von K. Simrock 18752, August Hagedorn, Leipzig 
1898 Außerdem hinterließ H. noch 'Lieder’ und 'Büchlein’ (Liebesbriefe; 2. Aus¬ 
gabe von Haupt-Martin 1881). Eine Gesamtausgabe seiner Werke mit Erläuterungen 
hat Fed. Bech geliefert (2. Auflage 1870-73). 
*) Einzelne Szenen aus Jwein hat ein Maier des 13. Jahrh. im Hessenhof zu 
Schmalkalden dargestellt. Vgl. hierzu Gerland: Die Wandmalereien im Hessenhof zu 
Schmalkalden, Leipzig 1896, und »Beilage zur Allgemeinen Zeitung’ 1898, Nr. 269. 
Ein ritter so geleret was, 
daz er an den buochen las, 
swaz er dar an geschriben vant: 
der was Hartman genant; 
5 dienstman was er ze Ouwe. 
er nam im mange schonwe 
an misliclien buochen: 
dar an begunde er suochen, 
ob er iht des funde, 
io da mite er swsere stunde 
möhte senfter machen, 
unt von so gewanten Sachen, 
daz gotes eren töhte 
unt da mite er sich möhte 
15 geliehen den liuten. 
nü beginnet er iu diuten 
ein rede, die er geschriben vant. 
dar umbe hat er sich genant, 
daz er silier arbeit, 
so die er dar an hat geleit, 
iht äne lön belibe, 
unt swer nach sinem libe 
si hoere sagen oder lese, 
daz er im bitende wese 
25 der sele heiles hin ze gote. 
man seit, er si sin selbes bote 
unde erloese sich da mite, 
swer über des andern schulde bite. 
Er las diz selbe msere, 
30 wie ein herre waere 
ze Swäben gcsezzen; 
an dem enwas vergezzen 
deheiner der tugende, 
die ein ritter in siner jugende 
35 ze vollem lobe haben so!. 
man sprach dö niemen also wol
	        
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