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„Laß sehn!" versetzte der Eh'herr, und keck
Reißt er vom Körbchen die Schürze weg,
Indeß ihren Heil'gen im stillen Gebet
Die Fürstin beklommen um Hilfe fleht.
Und seht! O Wunder! es blüht ein Strauß
Von rothen und weißen Rosen heraus.
Der Landgraf staunet, verletzt vom Dorn,
Und Milde verjagt den gebietrischen Zorn.
Er steckt ein Röschen auf seinen Hut
Und ruft: „O Liesbeth, bleib' mir gut!
Du bist so unschuldig, edel und rein;
Kein Engel des Himmels kann frömmer
sein."
7. Sankt
Zu des Lebens letztem Gange
Schickt' sich schon der Heiland an,
Und dem Menschensohn ward bange,
Und von glühend heißer Wange
Kalter Schweiß zur Erde rann:
Sieh', er träget auf dem Rücken
Selbst sein Kreuz mit stillem Sinn;
Aber Last und Kummer drücken
Ihn erschöpft zur Erde hin.
Und er sinket in die Kniee,
Und das Volk, das um ihn steht,
Höhnt nur seine Angst und Mühe:
Wie er lechze, wie er glühe,
Keiner ihn zu laben geht.
Legen dann das Kreuz die Knechte
Simon von Cyrene auf,
Daß er es zur Stätte brächte, -
Da sich ende Christi Lauf.
Und nun soll es weiter gehen,
Und die Kriegesknechte drohn,
Und in namenlosen Wehen
Schaut er aufwärts, und die Höhen,
Golgatha's erblickt er schon.
Seine Menschheit ist erlegen
In der bittern Angst und Qual,
Und er sinkt auf seinen Wegen
Wieder hin zum andern Mal.
Geht kein Wort aus seinem Munde?
Nur ein Seufzer hebt die Brust.
Aber zu derselben Stunde
Quillt ihm in des Herzens Grunde
Unaussprechlich süße Lust;
Draus läßt er den Engel mit Innigkeit
Und giebt den Höflingen diesen Bescheid:
„Wer je meine Liesbeth wieder verklagt,
Der büß' es im Kerker, wo nimmer es tagt!"
Elisabeth aber, nun wieder fern
Vom Falkenblicke des Eheherrn,
Begiebt sich freudig den Felsenhang
Hinunter und folgt ihrem Herzensdrang.
Und als die Milde, die Gott vertraut,
Mit frommem Aug' in ihr Körbchen schaut,
Da ist es, vom Duft der Rosen umhüllt,
Bis zum Rande mit köstlichen Speisen gefüllt.
W. Hertjard.
Veronika.
Denn ein Mädchen naht sich leise,
Bückt sich still zu ihm herab,
Und sie trocknet mild und leise
Ihm den Schweiß der Stirne ab.
Und von neuer Kraft belebet,
Stehet der Erlöser da;
Seinem Mund kein^Wort entschwebet,
Doch sein selig Auge hebet
Sich zu dir, Veronika;
Und er blickt dich an und schreitet,
Froh der Schädelstatte zu,
Fährt gen Himmel und bereitet
Droben dir die heil'ge Ruh'.
Und in wehmuthsvollem Schauen
Sieht Veronika ihm nach,
Und die klaren Thränen thauen;
Aber Glaube und Vertrauen
Wird ihr schnell im Herzen wach;
Oeffnet ihres Tüchleins Falten,
Das die Stirn des Herrn gekühlt,
Ihre Thränen zu verhalten,
Die sie niederfließen fühlt.
Wie das Tüchlein ausgebreitet,
Steht des Herren Konterfei,
Wie er duldet, wie er streitet,
Als durch Malers Hand bereitet,
Drinnen leibhaft und getteu. —
Sankt Veronika's Gebeine
Ruhn schon an der Erde Brust;
Doch das Bild, das himmlisch reine,
Zst noch jetzt der Pilger Lust.
Hieseörechi.