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Da hob bte Hände Petrus zum Gebet:
„Unwürdig bin ich, Gott," so seufzt er bang,
„Daß ich vor deines Thrones Schwelle trete.
Mir Thoren war die Ewigkeit zu lang,
Um dich und deine Herrlichkeit zu schauen —
Und tausend Jahr lauscku' ich des Vogels
Sang.
Lebt wohl! Ich will mir eine Zelle bauen
Im Wald, wo ich entzückt vernahm das Lied
Des Beten aus des Paradieses Auen."
Er sprach's und ging. Da sank sein Augenlids
Der tausendjähr'ge Traum verrann, und leise
Von todtverfallnem Leib die Seele schied. —
Still sprachen ihr Gebet die Mönch' im Kreise.
Haudy.
1H. St. Petri Tod.
Als nun erfüllet war die Zeit,
Daß, wie der Herr ihm prophezei!,
Sankt Peter sollt' am Kreuze sterben
Und sich die Martyrkron' erwerben:
War ihm in langer Kerkerhast
Erloschen die alre Heldenkraft,
Hatt' eben keine Lust, dem Leben,
Ob alt und kalt, Valet zu geben.
Indeß — das Urtheil war gefällt,
Das Kreuz beim Zimmerer bestellt;
Sankt Peter harret bis Mitternacht,
Ob eines Engels Gottesmacht,
Wie vormals in Jerusalem,
Durch die verschloss'ne Pforte käm'
Und, ungehemmt durch Thor und Thür,
Ihn rasch in Luft und Freiheit führ'.
Doch weil er keine Hilfe spürt',
Er es auf eigne Hand probirt.
Nun weiß ich nicht, wie das geschehn,
Daß er möcht' frei von dannen gehn;
(Sankt Lukas thät cs nicht berichten,
Auch mag ichx. nichts dazwischen dichten.)
Dem ersten Druck die Thüre wich,
Sankt Peter still von dannen schlich,
Und froh erschrocken sonder Maßen
Fand er sich plötzlich auf der Straßen.
Ganz Rom lag tief im Sündentraum,
Vergönnt' deni Flüchtling Zeit und Raum.
Der Mond barg schelmisch sein Gesicht
Und sprach: „Lauf! ich verrath dich nicht."
Schon trat er durch das letzte Thor,
Nun, freier athmend, rasch hervor.
Frei lag vor ihm das weite Feld,
Vom Mondlicht wieder aufgehellt.
„Nun, Nero, zähme deine Wuth!
Gott spart sein treues Apostelblut."
Sankt Peter ruft's und schreitet zu
Und steht doch festgebannt im Nu:
Ein stiller Wandrer wankt daher,
Ein Kreuz aus seinen Schultern schwer;
Die Hochgestalt erlieget fast
Des Kreuzes und der Leiden Last;
Auf wirren Locken sonder Glanz
Ein blutgetränkter Dornenkranz,
Doch auf dem bleichen Angesicht
Steht Himmelshoheit, Weltgericht.
Sankt Peter sicht's und kann nicht fort,
Schaut immer nach dem Wandrer dort:
Er ist es, gleichwie er ihn sah,
Als er aufstieg gen Golgatha.
Und jener hebt den sanften Blick,
Winkt ernst ihm nach der Stadt zurück
Und ruft in tiefem Klageton:
,,O Simon Petrus, Schmerzenssohn,
Willst, dreimal schon mit Schuld beladen,
Mich nochmals läugueu und verrathen?
Hab' ich mühsel'ger Erdengast
Des Matterholzes Sündenlast
Nicht treu bis in den Tod getragen
Ohn' Widerstreben, sonder Klagen?
Hat dich dies Beispiel nicht gelehrt,
Daß der nur meines Heiles werth,
Der auck sein Kreuz so frei und gern
Aufnimmt und nachfolgt seinem Herrn?
O Simon Petrus, wende dich,
Nimm auf dein Kreuz und denk' an wich!"—
Das Wort verscholl, der Herr verschwand,
Petrus noch lange zur Stelle stand,
Dann, so wie vormals, wandt' er sich
Zum Thor und weinte bitterlich;
Gab in des heil'gen Geistes Kraft
Sich wieder in der Heiden Haft
Und trug getrost am andern Tag
Sein Kreuz dem lieben Meister nach.
I. BDler.