Full text: Lesebuch für höhere Bildungsanstalten (4)

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Stauffacher (zählt die Stimmen). 
ES ist ein Mehr von Zwanzig gegen Zwölf! 
Walther Fürst. 
Wenn am bestimmten Tag die Burgen 
fallen, 
So geben wir von einem Berg zum andern 
Das Zeichen mit dem Ranch; der Landsturm 
wird 
Aufgeboten, schnell, im Hauptort jedes Landes; 
Wenn dann die Vögte sehn der Waffen Ernst, 
Glaubt mir, sie werden sich des Streits be¬ 
geben, 
Und gern ergreifen friedliches Geleit, 
Aus unsern Landesmarken zu entweichen. 
Stauffacher. 
Nur mit dem Geßler fürcht' ich schweren 
Stand, 
Furchtbar ist er mit Reisigen umgeben; 
Nicht ohne Blut räumt er das Feld, ja selbst 
Vertrieben bleibt er furchtbar noch dem Land. 
Schwer ist's und fast gefährlich, ihn zu schonen. 
Baumgarten. 
Wo's halsgefährlich ist, da stellt mich hin! 
Dem Tell verdank' ich mein gerettet Leben. 
Gern schlag' ich's in die Schanze für das Land, 
Mein' Ehr' hab' ich beschützt, mein Herz be¬ 
friedigt. 
Reding. 
DieZeit bringt Rath. Erwartet's in Geduld 
Man muß dem Augenblick auch was vertrauen. 
— Doch seht, indeß wir nächtlich hier noch 
tagen, 
Stellt auf den höchsten Bergen schon der Morgen 
Die glüh'nde Hochwacht aus. — Kommt laßt 
uns scheiden, 
Eh' uns des Tages Leuchten überrascht. 
Walther Fürst. 
Sorgt nicht, die Nacht weicht langsam aus 
den Thälern. 
(Alle haben unwillkürlich die Hüte abgenommen und 
betrachten mit stiller Sammlung die Morgenröthe.) 
Rösselmann. 
Bei diesem Licht, das uns zuerst begrüßt 
Von allen Völkern, die tief unter uns 
Schwer athmend wohnen in dem Qualm der 
Städte, 
Laßt uns den Eid des neuenBundes schwören. 
— Wir wollen sein ein einzig Volk von 
Brüdern, 
In keiner Noth uns trennen und Gefahr. 
(Alle sprechen es nach mit erhobenen drei Fingern.) 
Wir wollen frei sein, wie die Väter waren, 
Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben. 
(Wie oben.) 
— Wir wollen trauen auf den höchsten Gott 
Und uns nicht fürchten vor der Macht der 
Menschen. 
(Wie oben. Die Landleute umarmen einander.) 
S t a u f f a ch e r. 
Jetzt gehe Jeder seines Weges still 
Zu seiner Freundschaft und Genoßsame. 
Wer Hirt ist, wintre ruhig seine Heerde 
Und werb' im Stillen Freunde für den Bund. 
— Was noch bis dahin muß erduldet werden, 
Erduldet's! Laßt die Rechnung der Tyrannen 
Anwachsen, bis ein Tag die allgemeine 
Und die besondre Schuld auf einmal zahlt. 
Bezähme jeder die gerechte Wuth 
Und spare für das Ganze seine Rache; 
Denn Raub begeht am allgemeinen Gut, 
Wer selbst sich hilft in seiner eignen Sache. 
Schiller. 
7. Aus Shakespeares „Julius Cäsar". (3. Aufzug, 2. Scene.) 
Das Forum. 
(Brutus und Cassius kommen mit einem Haufen 
Volles.) 
Bürger. 
Wir wollen Rechenschaft, legt Rechenschaft 
uns ab! 
Brutus. 
So folget mir und gebt Gehör mir, Freunde. 
Ihr, Cassius, geht in eine andre Straße 
Und theilt die Haufen — 
Wer mich will reden hören, bleibe hier; 
Wer Cassius folgen will, der geh' mit ihm. 
Wir wollen öffentlich die Gründ' erklären 
Von Cäsars Tod. 
Erster Bürger. 
Ich will den Brutus hören.
	        
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