Full text: Lesebuch für höhere Bildungsanstalten (4)

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Antonius. 
Hier ist das Testament mit Cäsars Siegel. 
Darin vermacht er jedem Bürger Roms, 
Auf jeden Kopf euch fünf und siebzig Drachmen. 
Zweiter Bürger. 
O edler Cäsar l — Kommt, rächt seinen Tod! 
Dritter Bürger. 
O königlicher Cäsar! 
An tonius. 
Hört mich mit Geduld. 
Bürger. 
Still da! 
Antonius. 
Auch läßt er alle seine Lustgchege, 
Verschlossene Lauben, neugepflanzte Gärten, 
Diesseit der Tiber, euch und euren Erben 
Auf ew'ge Zeit, damit ihr euch ergeh'n 
Und euch gemeinsam dort ergötzen könnt. 
Das war ein Cäsar; wann kommt seines 
Gleichen? 
Erster Bürger. 
Nimmer! nimmer! — Kommt! hinweg! 
hinweg! 
Verbrennt den Leichnam auf dem heil'gen 
Platze, 
Und mit den Bränden zündet den Verräthern 
Die Häuser an. Nehmt denn die Leiche auf! 
Zweiter Bürger. 
Geht! holt Feuer! 
Dritter Bürger. 
Reißt Bänke ein! 
Vierter Bürger. 
Reißt Sitze, Läden, Alles ein! 
(Die Bürger mit Cäsar's Leiche ab.) 
Antonius. 
Nun.Wirk'es fort. Unheil, du bist im Zuge! 
Nimm, welchen Laus du willst! — 
(Ein Diener kommt.) 
Was bringst du, Bursch? 
Diene r. 
Herr, Octavius ist schon nach Rom gekommen. 
Antonius. 
Wo ist er? 
Diener. 
Er und Lepidus sind in Cäsars Hause. 
Antonius. 
Ich will sofort dahin, ihn zu besuchen, 
Er kommt erwünscht. Das Glück ist auf¬ 
geräumt 
Und wird in dieser Laun' uns nichts versagen. 
Diener. 
Ich hört' ihn sagen, Cassins und Brutus 
Sei'n durch die Thore Roms wie toll geritten. 
Antonius. 
Vielleicht vernahmen sie vom Volke Kundschaft, 
Wie ich es aufgewiegelt. Führ' indeß 
Mich zum Octavius. (Beide ab.) 
Uebersetzt von A. M. v- Schlegel. 
8. Monolog aus „Xtil“ (4. Aufzug, 3. Scene). 
Tell. 
Durch diese hohle Gasse muß er kommen; 
Es führt kein andrer Weg nach Küßnacht; — 
hier 
Vollend'ich's; — die Gelegenheit ist günstig. 
Dort der Hollunderstrauch verbirgt mich ihm; 
Von dort herab kann ihn meinPfeil erlangen; 
Des Weges Enge wehret den Verfolgern. 
Mach deine Rechnung mit dem Himmel, Vogt! 
Fort mußt du, deine Uhr ist abgelaufen! 
Ich lebte still und harmlos; das Geschoß 
War auf des Waldes Thiere nur gerichtet, 
Meine Gedanken waren rein von Mord. — 
Du hast aus meinem Frieden mich heraus 
Geschreckt; in gährend Drachengift hast du 
Die Milch der frommen Denkart mir ver¬ 
wandelt ; 
Zum Ungeheuren hast du mich gewöhnt. — 
Wer sich des Kindes Haupt zum Ziele setzte, 
Der kann auch treffen in das Herz des Feind's. 
Die armen Kindlein, die unschuldigen, 
Das treue Weib muß ich vor deiner Wuth 
Beschützen, Landvogt! Da, als ich den Bogen¬ 
strang 
Anzog — als mir die Hand erzitterte — 
Als du mit grausam teufelischer Lust
	        
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