fullscreen: Oberstufe: Erster Kursus (Teil 5, [Schülerband])

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Er ließ Schiffe gegen die Seeräuber ausrüsten; *da er aber den größten 
Teil der dazu erhobenen Gelder unterschlagen hatte, so waren sie in 
einem so elenden Zustande, daß sie die Flucht vor den Piraten ergreifen 
mußten, welche bis in den Hafen von Syrakus segelten und den Prätor 
laut verhöhnten. Dieses Frevels angeklagt zu werden, fürchtete Verres 
am meisten, und um ihn auf andere zu wälzen, ließ er mit kaltem 
Blute die unschuldigen Schiffsführer hinrichten. Dieser feige und grau¬ 
same Mensch brachte seine Tage und Nächte in schändlichen Ausschweifungen 
hin; nur im Frühling zog er in den Provinzen umher, aber von acht 
Sklaven in einer Sänfte getragen, in der er mit Rosen bekränzt lag, 
und die er nur verließ, wenn er in sein Schlafgemach gebracht war. Die 
Hoffnung der Straflosigkeit so vieler Frevel, einer solchen Entwürdigung 
des römischen Namens, baute Verres auf die Größe seines Raubes, welcher 
ihn in den Stand setzte, zur Bestechung der Richter große Summen auf¬ 
zuwenden. Überdies waren viele der angesehensten Männer Roms auf 
seiner Seite. Aber diesmal wurden alle diese Berechnungen durch seines 
Anklägers Cicero Eifer und Thätigkeit zu Schanden. Die einfachen Aus¬ 
sagen vieler Zeugen, welche dieser aufstellte, enthüllten eine solche Menge 
von Unthaten und brachten eine so große Wirkung hervor, daß Verres 
an einem günstigen Ausgange verzweifelte und sich vor der Beendigung 
des Prozesses freiwillig aus Rom verbannte. 
Aber diese unersättliche Habsucht der Statthalter war es bei weitem 
nicht allein, wodurch die ehemals blühenden Provinzen verarmten und 
elend wurden. Der Statthalter hatte der Regel nach mit den Steuern, 
welche der Staat zog, nichts zu thun; diese hatten die Pächter über¬ 
nommen, und die Beauftragten derselben suchten die Abgaben so weit 
auszudehnen und zu erhöhen, als sie nur unter irgend einem Schein¬ 
grunde thun konnten. Dazu kam der schändliche Wucher, den diese 
Pächter und andere reiche Römer in den Provinzen trieben, indem sie 
den Bedrängten Geld vorstreckten und dann die durch unerschwingliche 
Zinsen vervielfachte Schuld mit unmenschlicher Härte eintrieben. 
Die Summen, welche auf diese Weise so vielen römischen Beamten, 
Geldhändlern u. s. w. zuflössen, ließen einen ganz neuen ungeahnten 
Maßstab für den Reichtum entstehen. Man mußte mehrere Millionen 
in barem Gelde oder ausstehenden Schulden, viele Landgüter in Italien 
wie in den Provinzen besitzen, um für reich zu gelten. Von Crassus 
wird erzählt, daß sein Vermögen siebentausend Talente, also über zehn 
Millionen Thaler unseres Geldes betragen habe. Er pflegte zu sagen, 
niemand könne reich heißen, der nicht von den Einkünften seiner Güter 
ein Heer erhalten könne. Daher war es sehr natürlich, daß Cicero mit 
einem Vermögen von mehr als einer Million Thaler unter den Sena¬ 
toren nicht für einen reichen Mann galt. Mit diesen Reichtümern 
standen die Schulden im Verhältnis, die Verschwender und Ehrgeizige
	        
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