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Kanten desselben. Indem sich ferner die Temperatur des Waffers der darüber
lagernden Luft mittheilt, wird durch den Kampf ungleich erwärmter Luftwaffen
die Oberfläche des Stromes und besonders die Grenze desselben der Schauplatz
von atmosphärischen Erschütterungen, deren Heftigkeit an die tropische Calmenzone
erinnert. Nebel und Regen, Gewitter und Stürme bezeichnen den Lauf der war¬
men Gewässer durch das nordatlantische Meer und machen ihn, vorzüglich im
Winter schon in weiter Ferne kenntlich. Treffend hat daher Maury den Golf¬
strom als ven großen „Sturm- und Wetterkönig" des Oceans bezeichnet. Zugleich
begreift man, daß die Seeleute, wie sie einerseits den Golfstrom aufsuchen, um
sich seine östliche Bewegung zu Nutzen zu machen, ihr, andererseits zu gewissen
Jahreszeiten eben so sehr meiden um der heftigen Stürme willen, die ihn be¬
gleiten.
Schießlich hat die amerikanische Küstenvermessung, der wir vorzugsweise eine
genauere Kenntniß des Golfstroms verdanken, in der jüngsten Zeit eine neue
Eigenthümlichkeit desselben ans Licht und außer Zweifel gestellt. Der Golfstrom
bildet nämlich nicht eine zusammenhängende Masse, sondern besteht von seinem
Ursprünge an aus einer Reihe strahlenförmig ausgebreiteter Bänder oder Zweige,
die durch schmale Streifen kalten Waffers von einander geschieden sind. Eine
genügende Erklärung für diese Erscheinung hat man bis jetzt noch nicht gefunden;
wohl aber rechtfertigt die letztere ein schon in früherer Zeit gebrauchtes Bild, wo¬
nach man die ganze Gestalt des Golfstroms mit einem Kometen verglich, deffen
Kopf in den Engen von Florida liege, und deffen riesiger Schweif sich breit und
immer breiter über die Meere schwinge. Nach Womöerg und Kohl.
24. Gebirgsarten.
Wenn wir hinaufsteigen zu den steilen Kämmen der großen Gebirgsketten,
so werden bald die Reste von Seethieren, jene zahllosen Conchylien, seltener wer¬
den und endlich ganz verschwinden; wir gelangen zu Lagern anderer Art, welche
keine Reste lebender Wesen enthalten. Jedoch zeigen diese Lager durch ihr kry¬
stallinisches Gefüge und selbst durch ihre Schichtung, daß sie bei ihrer Bildung
auch in einem flüssigen Zustande waren; durch ihre geneigte Lage, durch ihre steilen
Abfälle, daß auch sie umgestürzt sind; durch die Art, wie sie sich geneigt unter
die Conchylien fühlenden Lager einsenken, daß sie von diesen gebildet wurden;
endlich durch ihre Höhe, zu welcher sich ihre zerrissenen und nackten Gipfel über
alle Conchylien führenden Lager erheben, daß ihre Gipfel schon aus dem Wasser
hervorgetreten waren, als jene Lager sich bildeten.
Es sind dieses die berühmten Ur- oder Primordial - Gebirge, welche unsere
Kontinente in verschiedenen Richtungen durchziehen, sich über die Wolken erheben,
die Flußgebiete von einander scheiden, in ihrem ewigen Schnee die Behälter zur
Nahrung der Quellen beherbergen und gewissermaßen das Skelett oder grobe
Gezimmer der Erde bilden.
In großer Ferne erblickt das Auge die Zeichen ihrer gewaltsamen Erhebung
in dem Zackigen, Zerrissenen ihrer Kämme und an den auf ihren höchsten Punkten
vollzählig aufgerichleten Piks oder Nadeln. Sie sind sehr verschieden von jenen
abgerundeten Bergen, jenen gedehnten stachen Hügeln, deren jüngere Masse immer
in derselben Lage verblieben rst, worin sie ruhig aus den letzten Meeren nieder¬
geschlagen wurde.
Diese Zeichen werden um so deutlicher, je mehr man sich ihnen nähert.
Die Thäler sind nicht mehr die sanften Gehänge, die gegeneinander überstehenden,