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und Officiere, welche durch Ehrenwort sich verpflichteten, während des Krieges nicht
ferner gegen Deutschland zu kämpfen; Waffen und Kriegsmaterial, sowie die
Festung Sedan waren an den Sieger auszuliefern.
Auf einer Höhe zwischen Frenois und Donchery, wohin sich der König Wil¬
helm mit dem Kronprinzen, mehreren Fürsten und den Generalen des Hauptquar¬
tiers begeben hatte, traf ihn V2 12 Uhr General Moltke mit der in Frenois von
ihm und Wimpsfen unterzeichneten Convention, welche hierauf General von Tresckow
dem Könige und seiner Umgebung vorlas.
Es war zwischen 1 und 2 Uhr. Der König hielt diesen Zeitpunkt für ge¬
eignet, die Unterredung mit dem Kaiser eintreten zu lassen. Welch ein Zusammen¬
treffen! Der Mann, der als Sieger in Berlin einziehen und in Königsberg den
Frieden diktiren wollte, mußte jetzt seinen Degen in dessen Hände legen, den er zu
demüthigen gedacht hatte. —
Napoleon war sehr unruhig. Er befand sich in einem der Glashäuser,
welche an den Ecken des Schlosses angebaut waren, so daß man jede seiner Be¬
wegungen von außen sehen konnte. Mit großen Schritten ging er auf und ab.
Endlich setzte er sich an die Glaswand, den Blick starr nach der Straße gerichtet.
Man hörte aus der Ferne den Tritt von Pferden; der Schall kam näher. Der
König und der Kronprinz stiegen vom Pferd, und wandten stch nach der Garten¬
treppe. Die Generale des Kaisers kamen die Treppe herab bis zur untersten
Stufe und empfingen hier die beiden königlichen Sieger. Napoleon verließ das
Innere des Gartensaales, trat auf den vor demselben befindlichen Platz und stieg
eine Stufe herab. Während der König die Stufen hinanstieg, nahm Napoleon
die Militairmütze ab, und beide Monarchen reichten einander die Hand. Der
Kronprinz blieb an der Thür stehen. — Ueber das Nähere dieser Unterredung,
welcbe eine Viertelstunde dauerte, ist nichts Zuverlässiges bekannt geworden. Der
Kaiser begleitete beim Abschied den König aus dem Saal und sprach dann noch
einige Worte mit dem Kronprinzen.
Ergriffen von den gewaltigen Ereignissen des Tages, schrieb der König an
seine Gemahlin: „Es ist wie ein Traum, selbst wenn man es Stunde für Stunde
hat abrollen sehen. Wenn Ich Mir denke, daß nach einem großen, glücklichen
Kriege Ich während Meiner Regierung nichts Ruhmreicheres mehr erwarten konnte,
und Ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt erfolgt sehe, so beuge Ich Mich vor
Gott, der allein Mich, Mein Heer und Meine Mitverbündeten ausersehen hat,
das Geschehene zu vollbringen und Uns zu Werkzeugen seines Willens bestellt hat.
Nur in diesem Sinne vermag Ich das Werk aufzufassen, um in Demuth Gottes
Führung und seine Gnade zu preisen."
Durch die Schlacht hatten die Franzosen 25,000 Mann an Gefangenen
verloren, hierzu durch die Kapitulation, außer 14,000 Verwundeten, 84,450
Mann, 4000 Offiziere, 50 Generäle, einen Marschall (Mac Mahon) — ferner
400 Feld- und 180 Festungsgeschütze, 70 Mitrailleusen, 100,000 Chassepots,
43 Adler, 20 Standarten, 10,000 Pferde. — Aehnliches wie bei Sedan ist in der
Kriegsgeschichte wohl noch nicht vorgekommen.
Am Morgen des 3. September wurde der Kaiser Napoleon an seinen Be¬
stimmungsort geleitet. Die Reise ging durch Belgien, über Aachen, Köln, Gießen,
Marburg nach Kassel, wo er am 5. September Abends eintraf. Das nahe
gelegene Schloß Wilhelmshöhe nahm ihn auf.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.