Object: [Teil 3 = 6. u. 7. Schulj] (Teil 3 = 6. u. 7. Schulj)

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3. Segelt, kühne Schiffer, in den Lüften! 
Sucht die Gipfel! Ruhet über Klüften! 
Brauet Stürme! Blitzet! Liefert Schlachten! 
Traget glühnden Kampfes Purpurtrachten! 
4. Rauscht im Regen! Murmelt in den Quellen! 
Füllt die Brunnen! Rieselt in den Wellen! 
Braust in Strömen durch die Lande nieder — 
kommet, meine Minder, kommet wieder! 
Konrad Ferdinand Meyer. 
75. Der Postillon. 
1. Lieblich war die Maiennacht, 
Silberwölklein flogen, 
ob der holden Frühlingspracht 
freudig hingezogen. 
2. Schlummernd lagen Wies’ 
und Hain, 
jeder Pfad verlassen; 
niemand als der Mondenschein 
wachte auf der Straßen. 
3. Leise nur das Lüftchen 
sprach, 
und es zog gelinder 
durch das stille Schlafgemach 
all der Frühlingskinder. 
4. Heimlich nur das Bächlein 
schlich, 
denn der Blüten Träume 
dufteten gar wonniglich 
durch die stillen Räume. 
5. Rauher war mein Postillon, 
ließ die Geißel knallen, 
über Berg und Tal davon 
frisch sein Horn erschallen. 
6. Und von flinken Rossen vier 
scholl der Hufe Schlagen, 
die durchs blühende Revier 
trabten mit Behagen. 
7. Wald und Flur im schnellen 
Zug, 
kaum gegrüßt — gemieden, 
und vorbei wie Traumesflug 
schwand der Dörfer Frieden. 
8. Mitten in dem Maienglück 
lag ein Kirchhof innen, 
der den raschen Wanderblick 
hielt zu ernstem Sinnen. 
9. Hingelehnt an Bergesrand 
war die bleiche Mauer, 
und das Kreuzbild Gottes stand 
hoch in stummer Trauer. 
10. Schwager ritt auf seiner 
Bahn 
stiller jetzt und trüber; 
und die Rosse hielt er an, 
sah zum Kreuz hinüber. 
11. „Halten muß hier Roß und 
Rad, 
mag's Euch nicht gefährden; 
drüben liegt mein Kamerad 
in der kühlen Erden. 
12. Ein gar herzlieber Gesell! 
Herr, ’s ist ewig schade! 
Keiner blies das Horn so hell 
wie mein Kamerade.
	        
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