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65 „Ich erkenne deine Sitte! 
Du dientest mir mit scharfem Schnitte; 
wem ich deine Schneide bot, 
der sank darnieder bleich und tot, 
59 da meine Kraft war ungedämpft." . . 
(6895) Roland fiel in Kreuzgestalt, 
sprach: „Du Gott voll Allgewalt, 
nun weißt du, wie mein Herz dich minnt. 
Du warst mir väterlich gesinnt 
- bis zu meines Lebens Ende. 
65 Deinen Boten zu mir sende; 
meiner armen Seele gnade, 
daß kein böser Geist ihr schade. 
Karln mit Segen überlade; 
mach' im Recht ihn wach und wacher, 
70 zerdrücke seine Widersacher, 
daß nieder seine Feinde liegen, 
daß den Schlimmen obzusiegen 
ihm zu deinem Ruhm gelinge. 
Um die süßen Karlinge 
75 und alle seine Untertanen 
laß dich gnädiglich gemahnen. 
Mache, die ihm Treue boten, 
die Lebendigen und die Toten, 
im Schoße Abrahams beglückt!" 
80 Auf seinen rechten Arm gebückt, 
sah er nieder, frei vom Harme, 
und streckte himmelwärts die Arme, 
befahl — schon war sein Auge nächtig — 
die Seele Gott, dem Herrn allmächtig. 
Vereinigt mit Sankt Michael 85 
und dem heiligen Gabriel, 
mit Sankt Raphael zugleich 
freut er sich im Himmelreich. 
Da Roland schied von dieser Welt, 
ward der Himmel gluterhellt, 90 
und nach einer kleinen Weile 
erbebten alle Erdenteile. 
Donnerschlag und Himmelszeichen 
huben sich in beiden Reichen, 
in Hispanien und in Franken. 95 
Ein Sturmwind machte alles wanken, 
er fällte manchen Waldbaum. 
Me Leute retteten sich kaum; 
sie sahen durch die Wolkenritze 
entsetzt die grellen Himmelsblitze. 100 
Da erlosch der Sonne Glanz. 
Das Heidenvolk verzagte ganz: 
die Geschöpfe ihm versanken, 
in dem Wasser sie ertranken. 
Der Tag, zuvor in lichter Pracht, 105 
ward so finster wie die Nacht. 
Zur Erde stürzten hohe Türme, 
Paläste fielen im Gestürme. 
Es öffneten die Sterne sich. 
Das Wetter war so fürchterlich, 110 
daß die Menschen mochten meinen, 
es sei die Stunde im Erscheinen, 
daß die Welt verenden sollte 
und Gott Gerichtstag halten wollte. 
3. Isengrines not von Heinrich dem Gliche^äre. 
Die Spielmannsdichtung. Bearbeitet von P. Piper (Kürschner Bd. 2, 1). 
Reinhart der Fuchs führt seinen Bruder Jsengrin den Wolf, der ein Mönch und vielleicht 
Klosterkoch werden möchte, zum Fischfang. 
(72i) „Woltint ir gän, 
da wir einen wiger hän, 
da ist inne fisce der mäht; 
ir kan nieman wi^in aht. 
5 Die bruodir leitense drin“. 
„Wol hin“! sprah Isingrin. 
Der wiher was uberfrorn. 
Dar huoben sie sih äne zorn. 
Sie begunden das is scouwen. 
Ein lob was drin gehouwen, 10 
da man wa^ir nam. 
Da^ Isingrine ze scadeo kam. 
60 mit ausgebreiteten Armen. 74 Franken. 109 Sie waren am Tage zu sehen. 
3. 2 Weiher. 3 Fische in Menge. 4 abschätzen, zählen; aht mit Gen. (h vielfach = ch). 
5 Die Klosterbrüder legten sie. 8 Dahin erhoben s. s. 9 Eis. 
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