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Doch er, der Gast, sah nichts von Leid;
denn zum Empfange dienstbereit
war eine Nitterschar zur Stätte;
90 Jungherrlein sprangen um die Wette,
ergriffen seinen Zügel
und hielten ihm den Bügel.
Er stieg vom Roß und trat ins Haus;
rasch zog man ihm die Waffen aus.
95 Er wusch sich, und sein Angesicht
erglänzt' wie neuen Tages Licht.
Dann in arabischer Seide Pracht
ward ihm ein Mantel dargebracht;
er legt' ihn leicht mit offner Schnur
wo um seine Schultern und erfuhr,
daß ihn, geliehn als Ehrenspende,
die Königin Repanse sende.
Man schenkt' den Wein, und ihm zu dienen,
zeigt' ihre Trauer heitre Mienen.
i05 Ihn, der sich keines Schwanks versann,
lief unversehns der Hofnarr an
und lud ihn im verstellten Grimme
vor seinen Herrn mit grober Stimme.
Er reckte nach dem Schwert die Hand;
iio doch da er's nicht mehr bei sich fand,
ballt' er die Faust mit Zornesglut,
daß aus den Nägeln rann das Blut.
„Nein", rief man, „was er sich erstecht,
Spaßen ist des Narren Recht,
li5 mag's uns auch nicht ums Lachen sein.
Herr, laßt ihm Nachsicht angedeihn!
Ihr habt nichts andres hier vernommen,
als daß der Fischer heimgekommen.
Geht hin! Ihr seid sein werter Gast,
i30 und schüttelt ab des Zornes Last!" —
Hundert Lichterkronen hingen
im Königssaal, zu dem sie gingen;
von kleinen Kerzen strahlt' die Wand.
Hundert Ruhebetten fand
125 man rings im Kreise aufgeschlagen,
auf denen hundert Polster lagen.
Je viere saßen dort an Tischen
mit einer Scheidewand dazwischen,
davor ein Teppich farbenbunt.
Drei Marmorherde stehn im Rund 130
viereckig kunstvoll aufgerichtet;
drauf liegt ein seltnes Holz geschichtet,
geheißen Lignum Aloe.
Wer sah so große Feuer je
hier bei uns in Wildenberg? 135
Das war ein köstlich Wunderwerks
Man trug den Burgherrn auf ein Bette
nah bei der mittlern Feuerstätte.
Ihm war vom Glück Valet gegeben;
ein qualvoll Sterben war sein Leben. 140
Und doch empfing er voller Gnaden
den lichten Gast, den er geladen;
zu sich setzt' huldreich er den Degen.
Er brauchte seines Siechtums wegen
große Feuer,-warm Gewand; 145
daher umhüllt' ihn mancherhand
gedoppelt Pelzwerk weit und lang,
das er sich um die Glieder schlang.
Gedoppelt auch war an der Mütze
der Zobel, daß sein Haupt er schütze, 150
die einer Borte Gold umspann,
ein Glanzrubin als Knopf daran.
Still saßen rings der Ritter Reihn;
da plötzlich zog der Jammer ein.
Ein Knappe kam zum Saal gerannt 155
mit einer Lanze in der Hand,
die aus der Schneide Blut ergoß,
das ihm bis in den Ärmel floß;
und durch den weiten Palas scholl
Geschrei und Weinen jammervoll. ieo
Die Wände trug er sie entlang,
bis er hinaus zur Türe sprang,
durch die er sie hereingetragen.
Da stillte sich des Volkes Klagen.
Im Hintergrund zum andernmal 1x5
erschließt sich eine Tür von Stahl.
Da kommt ein lieblich Mädchenpaar,
den Kranz im langen blonden Haar.
Sie tragen Kerzen hellentbrannt
auf goldnen Leuchtern in der Hand. 170
135. Wildenberg ist der heutige Weiler Wehlenberg, zwei Stunden südwestlich von
Eschenbach, auf beherrschender Anhöhe am linken Ufer der Altmühl: vermutlich Wolframs
Familiensitz.