168 Die ersten Gesänge des Messias,
an dem großen Werke. Ich könnte Ihnen den Namen melden, der Jetzt
noch so dunkel und schwer auszusprechen ist, der doch in die späteste
Nachwelt erschallen soll; ich könnte Ihnen den ansehnlichen Ort nennen,
wo er, den Großen, den Glücklichen und dem Pöbel unangemerkt, auf
Verse von einem Inhalte sinnt, der weit über. die Großen, über die
Glücklichen und den Pöbel weg ist.“ .
Nicht minder günstig lautete Bodmers Gutachten gegen Gärtner, und
damit mag es vielleicht zusammenhängen, daß statt eines Gesanges, wie
anfangs die Absicht war, nunmehr ihrer drei in den Beiträgen abgedruckt
wurden. Sie füllen von dem vierten Bande das vierte und fünfte Stück
(letzteres nicht ganz) und erschienen zu Anfang des Jahres 1748, wo
nicht noch vor, doch kurze Zeit nach dem Abgang des Dichters‘ von
der Universität,
Die drei ersten Gesänge des Messias, die nun zum erstenmal in
die Welt traten, enthalten gewissermaßen die Exposition des Gedichts.
Gott verabredet mit seinem Sohne, dem Messias, die Erlösung und läßt
seinen Beschluß der Engel- und seligen Geisterwelt bekannt machen;
die Teufel verschwören sich, den Messias zu töten, und unter den Men-
schen faßt auf satanische Eingebung Judas den Entschluß, ihn zu ver-
raten. Der Schauplatz wechselt zwischen Erde, Himmel und Hölle; auch
das Innere der Erde öffnet sich, und auf der Sonne nehmen nach gött-
licher Erlaubnis die Seelen der Erzväter Platz, um der Erlösung zu-
zusehen, die sich auf der Erde vollziehen soll. Der ganze erste Gesang
verläuft sich, ohne daß ein eigentlicher Mensch handelnd aufträte, zwischen
Gott, dem Messias, Engeln und abgeschiedenen Seelen; im zweiten Ge-
sange spielen die Teufel die Hauptrolle, während im dritten die Jünger
mit ihren Schutzgeistern in den Vordergrund treten.
Welch ein Gegenstand, welche Schauplätze, welche Personen, welche
Handlungen, welcher Schwung der Phantasie und des Ausdrucks in diesem
neuen Heldengedichte, wenn man es mit einem „August im Lager“, einem
damals vielgelesenen Gedicht von König, verglich, das auch ein Epos sein
sollte, sich aber um leere Paraden und fürstliche Prunkfeste, um hohe
Herrschaften, Pferde und Hofschranzen drehte und in steifen Alexandrinern,
im plattesten Tone des Zeremonienmeisters verfaßt war. Aber auch wo
der Gegenstand mehr Würde hatte, wie in Postels Wittekind, erschien
er teils immer noch in Vergleichung mit dem von Klopstock gewählten
beschränkt, teils hatte es an wahrhaft dichterischem Geiste zur Ausbildung
desselben, an Schwung und Adel des Sinnes und Ausdrucks gefehlt. Von
solchen Vorgängern hatte Klopstock sich von vornherein abgewendet:
ein Hof, ein Land, ein Volk, ja die Menschen selbst waren ihm zu enge
Sphären; er stellte sich mit Milton auf jene Höhe religiöser Weltansicht,
von welcher aus er das ganze All, Schöpfer und Geschöpfe, die Geister-
wie die Körperwelt überschaute.
Ein Schriftwerk wird allemal Anklang finden, wenn es einer in der
Zeit wirksamen Geistesrichtung einen tüchtigen Ausdruck verleiht; es
wird Epoche machen, wenn es ihm gelingt, mehrere solcher Richtungen
zusammenzufassen. Das letztere war bei Klopstocks Messias der Fall.
Vor allen war er eine Kundgebung der protestantischen Frömmigkeit,