Da stehn in Pergament und Leder
Voran die frommen Schwabenväter.
Wie sie die goldnen Namen liest,
Noch goldener ihr Mund sie küßt.
225 Jnmittelst läuft ein Spinnlein zart
An mir hinauf nach seiner Art
Und hängt sein Netz, ohn' erst zu fragen,
Mir zwischen Schnabel ans und
Kragen.
230 Ich rühr' mich nicht aus meiner Ruh',
Schau' ihm eine ganze Weile zu.
Darüber ist es wohl geglückt,
Daß ich ein wenig eingenickt. —
Nun sagt, ob es in Dorf und Stadt
235 Ein alter Kirchhahn besser hat?
Ein Wunsch im stillen dann und
wann
Kommt einen freilich wohl noch an.
Im Sommer stünd' ich gern da draus
240 Bisweilen auf dem Taubenhaus,
Wo dicht dabei der Garten blüht,
Man auch ein Stück vom Flecken sieht.
Dann in der schönen Winterzeit,
Als zum Exempel eben heut:
| Ich sag' es grad' — da haben wir 245
1 Gar einen wackern Schlitten hier,
Grün, gelb und schwarz; er ward
verwichen
Erst wieder sauber angestrichen:
Vorn auf dem Bogen brüstet sich 250
Ein fremder Vogel hoffärtig —
Wenn man mich etwas putzen wollt',
Nicht daß es drum viel kosten sollt',
Ich stünd' so gut dort als wie der,
Und machet niemand nicht Unehr'! 255
— Narr! denk' ich wieder, du hast
dein Teil,
Willt du noch jetzo werden geil?
Mich wundert, ob dir nicht gefiel',
Daß man, derWeltzumSpott und Ziel, 260
Deinen warmen Ofen gar zuletzt
Mitsamt dir auf die Läufe setzt'.
Daß auf dem G'sims da um mich säß'
Mann, Weib und Kind, der ganze Käs!
Du alter Scherb, schämst du dich nicht, 265
Auf Eitelkeit zu sein erpicht?
Geh in dich, nimm dein Ende wahr!
Wirst nicht noch einmal hundert Jahr.
Ferdinand
1810-
Gesammelte Dichtungen. !
1. O lieb', solang
1. O lieb', solang du lieben kannst!
O lieb', solang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!
2. Und sorge, daß dein Herze glüht
Und Liebe hegt und Liebe trägt,
Solang ihm noch ein ander Herz
In Liebe warm entgegeuschlägt!
Freiligrath.
-1876.
'. Auflage. Stuttgart 1886.
du lieben kannst!
3. Und wer dir seine Brust erschließt,
O tu' ihm, was du kannst, zulieb!
Und mach' ihm jede Stunde froh,
Und mach' ihm keine Stunde trüb!
4. Und hüte deine Zunge wohl,
Bald ist ein böses Wort gesagt!
O Gott, es war nicht bös gemeint, —
Der andre aber geht und klagt.