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B. Eato's Gegenrede.
1. Die geäußerten Ansichten und Anträge stimmen mit der Sachlage
nicht zusammen. Man spricht von Rache, während sich's doch vor Allem
um unsere Sicherheit handelt und daß man Menschen, welche die Stadt und
den Staat mit dem Untergang bedrohen, zuvorkomme.
2. Es handelt sich also nicht etwa bloß um die Rettung unserer
luxuriösen Einrichtungen, nicht um die Erhaltung unserer Einkünfte, nicht
um einreißende Sittenverderbniß, der ich sonst so oft mich widersetzen mußte,
und auch nicht um eine Minderung oder Schwächung der römischen Herr¬
schaft: nein es handelt sich um das, welchem alles andere bloß zum Mittel
dient, um unsere Existenz und unsere Freiheit.
3. Also kann auch nicht von Menschlichkeit und Mitleid die Rede sein,
welches ohnehin falsche Benennungen sind: denn Schonung von Verbrechern
ist nicht Mitleid, sondern Schwäche, oder noch etwas viel Schlimmeres, und
eine Versündigung am Gemeinwohl.
4. Cäsar hält die Todesstrafe für keine harte Strafe, weil er nicht
an die Höllenstrafen glaubt, und trägt darum auf Confiscation und Ein¬
kerkerung an, und zwar auf Einkerkerung in den Municipien, als ob sie dort
sicherer verwahrt sein würden.
5. Hält er diese Menschen für gefährlich, so ist das gewiß ein sehr
unpassender Rath, und hält er sie nicht für gefährlich, so thut er sehr
unrecht, und mahnt uns damit, nur desto mehr auf unserer Hut zu sein.
6. Bedenkt, daß mit dem Lentulus und seinen Gesellen auch das
Heer des Catilina gestraft wird: also zeigt euch energisch, um nicht die
Frechheit noch frecher zu machen.
7. Wenn man euch das Beispiel unserer Vorfahren vorhält, so erwägt
und erkennt, daß deren Größe nicht sowohl in der Mehrung des Reiches
bestand (denn in diesem Punkte würden wir sie weit überholt haben), son¬
dern in anderen Verdiensten, die wir nicht mehr haben, in Rechtschaffenheit,
Einfachheit, Nüchternheit, Thätigkeit, Gerechtigkeit, und in Unabhängigkeit
des Urtheils von eignem Schuldbewußtsein, Gier und Eigennutz.
8. Und weil wir diese Tugenden nicht mehr haben, sondern statt deren
die entgegengesetzten Laster, eben darum geschehen solche Angriffe auf den
Staat von Menschen aus den ersten Ständen.
9. Soll da Mitleid walten, als gegen verführte junge Leute, wenn
zumal das Haupt der Verschwörung noch Verderben drohend über unseren
Häuptern schwebt?
10. Wollt ihr das Furchtlosigkeit nennen, was Weichlichkeit und
Schwäche ist?
11. Wollt ihr auf die Hilfe des Himmels bauen, wenn ihr selber die
Hände in den Schooß legt?
12. Wollen wir uns auf das Beispiel unserer Vorfahren berufen,
bei denen Manlius wegen bloßen Ungehorsams seinen Heldensohn hinrichten
ließ, während wir Mordbrenner, die aller Scham und Ehre und Religion
und Tugend baar sind, zu beseitigen zaudern und zagen?
13. Zum Zaudern und Zagen aber und zum Warten, bis man durch
Schaden klug werde, ist nicht mehr Zeit: denn das Messer sitzt uns an der
Kehle.