Object: Oberstufe: Erster Kursus (Teil 5, [Schülerband])

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in Mußestunden fleißig im offenen Fenster zu liegen und mit den Vorüber¬ 
gehenden zu plaudern, paßt eine solche Hausthür vortrefflich. Genre¬ 
maler haben sie in dieser Art hundertmal als ein gar anmutiges 
Motiv benützt. Die Hausflur, oft zugleich die Küche des geringen 
Mannes, würde gar kein Straßenfenster haben ohne diese Thür. Wer 
aber sehen will, was das Straßenfenster im pfälzischen Volksleben be¬ 
deutet, der braucht nur an einem schönen Sommerabend durch Mannheim 
zu gehen, wo überall die Fenster offen stehen und Männer und Frauen 
Plaudernd in denselben sitzen und die Gruppen der vorübergehenden 
Freunde vor den Fenstern sich sammeln — ein Bild gemütlicher Häus¬ 
lichkeit auf der Gasse, wie man es wohl in ganz Deutschland nicht 
wieder findet. Und dieses Bild wiederholt sich in allen Städten und 
Dörfern der Pfalz bis zu dem kleinsten herab. 
Das ältere pfälzische Haus zeichnet sich noch durch Spruch und 
Marke aus. Dieser Schmuck herrscht hier durchweg, während er wenige 
Meilen weiter nordwärts am eigentlichen Mittelrhein verschwindet. 
Bäuerliche Wappen wie an der Meeresküste des deutschen Nordens, 
oder rätselhafte uralte Runen wie selbst noch im nördlichen Mittel¬ 
deutschland, sieht man hier freilich nicht. Eher schmückt ein verwittertes 
Ritterwappen ein Haus, das jetzt dem Bauern gehört. Die Hausmarke 
des Pfälzers muß klar und selbstredend sein. Darum wählt er nur 
allgemein verständliche Gewerbzeichen. Der Weinbauer läßt eine Traube 
in den Schlußstein seines Hofthores meißeln oder zwei gekreuzte Reb¬ 
messer oder ein Faß mit gekreuzten Wingertshacken, der Metzger einen 
Ochsen, der Bäcker eine Bretzel. Am allgemeinsten über die ganze Pfalz 
verbreitet ist die Namensinschrift oder Chiffre des Erbauers und die 
Jahreszahl auf einer Tafel über der Hausthür. Und selbst in den 
ärmsten Dörfern des Westrich hat man dabei noch genug Artigkeit, um 
den Namen der Ehefrau neben jenen des Mannes zu stellen. Der 
Pfälzer hält so viel auf Verewigung von Namenszug und Baujahr am 
Hause, daß er beides wohl auch an der Scheune anbringt, ja in die 
Wetterfahne einschneidet. 
Haussprüche waren vordem in der Pfalz so volkstümlich, daß sie 
selbst an der Burg und am Fürstenschloß nicht fehlten. Über das Portal 
des Schlosses Katharinenburg bei Birlenbach setzte die Pfalzgräfin Ka¬ 
tharine, Gemahlin des Pfalzgrafen Johann Kasimir von Zweibrücken, 
in echt pfälzischer Weise ihren Namenszug mit der Jahreszahl 1622 
und darunter den Hausspruch: „Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut". 
Dieser Spruch giebt den Grundton an, auf den die große Mehrzahl 
der pfälzischen Haussprüche gestimmt ist. Der protestantisch-resormierte 
Charakter spricht sich ganz entschieden aus; daher Bibelsprüche und 
Strophen aus dem protestantischen Gesangbuche allenthalben. Wie gesang¬ 
buchfest die Altvordern auch in der Pfalz waren und die Kirchenlieder
	        
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