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des Vaterlandes der unglückliche Heinrich von Kleist. Ihm folgen Max
von Schenkendorf, Theodor Körner und Ernst Moritz Arndt. Während
bei dem ersten mehr das christliche Element zur Geltung kommt, spricht aus
den Dichtungen Körners edler deutscher Jugendmut, aus Arndts Gesängen
urwüchsige deutsche Manneskraft. — Und jetzt erst, wo die Dichtkunst ihren
festen Boden in der Wirklichkeit gefunden hatte, erreichte die romantische Dicht¬
kunst ihren Höhepunkt, im Süden Deutschlands mit Ludwig Uhland, dem
Haupt der Schwäbischen Schule, im Norden mit Joseph Freiherrn von
Eichendorff. An Uhland schlossen sich Gustav Schwab und Justinus
Kerner, während ihr Landsmann Friedrich Hölderlin an dem Ideale der
klassischen Zeit festhielt, das er aber mit romantischer Schwärmerei verfolgte.
Der zum Norddeutschen gewordene Franzose Adelbert von Chamisso, der
anfangs der älteren Romantik gefolgt war, ließ sich später von Uhland beein¬
flussen. Friedrich Rückert, der sich mit den Dichtungen seiner Jugendjahre
den Sängern der Befreiungskriege anreiht, führte später, dem Beispiele der
älteren Romantiker, auch Goethes folgend, die Schätze orientalischer Literatur
sowie südliche und orientalische Formen in die deutsche Dichtkunst ein. Über
den Rahmen der eigentlichen Romantik weisen Wilhelm Müller und Eduard
Mörike bereits hinaus. Jener hat in seinen lyrischen Gedichten den Volkston
glücklich zu treffen verstanden. Mörike aber, einem unserer größten Lyriker,
ist es „zum erstenmal seit Goethe immer wieder gelungen, was andern, minder
Begnadeten nur in ganz seltener Stunde ward: die Wirklichkeit mit ihrem
sinnlichen und ihrem übersinnlichen Gebalt in der knappsten Form mit vollen¬
deter Melodie auszudrücken". — Unter den österreichischen Dichtern steht
Joseph Christian Freiherr von Zedlitz als Lyriker der Romantik am nächsten,
während Franz Grillparzer in seinen Dramen das Volkstümliche und das
Klassische in hoher künstlerischer Vollendung zu vereinigen wußte und die be¬
währten Grundsätze des dramatischen Idealismus mit unbeirrter Treue hochhielt.
Frieörich Gottlieb Klopstock.
Friedrich Gottlieb Klopstock wurde am 2. Juli 1724 zu Quedlinburg
geboren. Sein Vater zog in der Folge nach Friedeburg im Mansfeldischen,
wo der Knabe in freier Luft und unter ernster, verständiger Erziehung zu
tüchtiger Körperkraft und seelischer Frische gedieh. 1737 kehrte er nach Quedlin¬
burg zurück und besuchte das Gymnasium; zwei Jahre später ging er nach
Schulpforta, einer schon damals berühmten Lehranstalt, wo er sich zuerst in
Schäfergedichten und Oden versuchte und schon den Plan zum „Messias" faßte,
bevor er noch etwas von Milton, seinem späteren Vorbild, gelesen hatte. Im
Herbste 1745 hielt er seine Abiturientenrede über epische Poesie und bezog
die Universität Jena, um Theologie zu studieren. Hier entwarf er den Anfang
des „Messias" in Prosa; seit 1746 in Leipzig, arbeitete er ihn im Hexameter
um, einem Versmaß, das bisher noch niemals zu einem größeren Gedichte
gewählt worden war. Mit den Dichtern der „Bremer Beiträge" bekannt
geworden, ließ er 1748 die drei ersten Gesänge des „Messias", zuerst ohne
seinen Namen, in dieser Zeitschrift drucken. Während diese in ganz Deutschland
begeisterten Beifall fanden, verließ er Leipzig und ging als Erzieher nach
Langensalza. Da hier seine tiefe Neigung zu der Schwester seines Leipziger