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dass die Erde sich um die Sonne drehe, mehrere Sonnensysteme vorhanden seien, und
setzte sogar voraus, dass die Planeten bewohnt sein müssten. Jo h annes von
Gemünden (f 1442) veröffentlichte die erste genaue Ephemeride, welche die Tages-
längen für das ganze Jahr, alle beweglichen Feste, die Mondphasen u. s. w. enthielt.
Der Oberösterreicher Georg von Peuerbach (f 1461), meist Purbach genannt,
Professor der Mathematik und Astronomie an der Wiener Universität, veröffentlichte,
neben anderen wertvollen Schriften, eine Erklärung zu den ersten Büchern des „Almagest“,
welche von seinem größten Schüler vollendet wurde. Dieser war der um die Ent-
wicklung der Mathematik, namentlich der Trigonometrie, hochverdiente J o h an n
Müller (+ 1476) aus Königsberg in Franken, deshalb Regiomontänus genannt.
Sein Hauptwerk, die Ephemeriden für die Jahre 1475-1506, wurde nach Müller's
Tode fortgesetzt.
g) Naturwissenschaften. Die Naturwissenschaften blieben durch den Auf-
schwung der Mathematik unberührt und durch die von der Kirche ihnen auferlegten
Fesseln in der Entwicklung gehindert. Als bedeutendste Leistung wäre das „Buch der
Natur“ (um 1350) des Deutschen Konrad von Megenberg, die erste in deutscher
Sprache geschriebene Naturgeschichte, zu erwähnen.
h) Heilkunde. Aehnlich wie um die Naturwissenschaften war es um die
Heilkunde bestellt. Das furchtbare Auftreten der Pest (1348) und andere Krankheiten,
welche gegen Ende des Mittelalters verheerend grassierten, blieben auf die Entwicklung
der Wissenschaft ohne Einfluss. Neben ziemlich wertlosen Handbüchern der gesammten
Heilkunde, entstanden einige diätetische Schriften (Gesundheits- Katechismus, Buch der
Gesundheit u. a.) und Abhandlungen über Heilbäder und Gesundbrunnen, welche jedoch
der chemischen Analysen selbstversständlich entbehrten. Um die Anatomie erwarb sich
Mondino de’ Lüzzi (f 1326), Professsor in Bologna, dadurch ein Verdienst, .dass
er zwei menschliche Leichname öffentlich zergliederte und seine hiebei gesammelten
Erfahrungen in einem Lehrbuche der Anatomie niederlegte, welches durch sehr lange
Zeit als unübertrefflich galt.
i) Philologie (Grammatik). Dieser Wissenschaft, welche im 14., besonders
aber im 15. Jahrhunderte, zu höchster Bedeutung sich erhob und ganz neue Bahnen
betrat, ist eigentlich der riesige Umschwung der gesammten abendländischen Geistes-
richtung und Cultur, der sich am Ende des Mittelalters vollzog, beizumessen. Obwohl
schon in Italien die bereits genannten drei großen Dichter (§ 87) als Vorläufer der neuen
Bildung und Wissenschaft bezeichnet werden müssen, erscheinen doch die eingewanderten
Griechen alsdie eigentlichen Erwecker des sogenannten Humanismus. Neben Chrysöloras
dürfen besonders Theodorus Gaza (+ 1478) und Demetrius Chalcöndylas
(+ 1511) hierauf Anspruch erheben. Diese Männer wirkten hauptsächlich in Jtalien,
und deshalb erscheint es als natürliche Folge, dass aus diesem Lande jene Apostel
hervorgiengen, welche die Wissenschaft und Kunst des Alterthums zu neuen Ehren
brachten. Aus der langen Reihe glänzender Namen verdienen besonders Poggio
Bracciolini (spr. Poddscho Brattscholini, f 1459), Francesco Filélfo (+ 1481),
der geistreiche Forscher und Kritiker Laurentius Valla (f 1457 ?), welcher die
sogenannte Constantinische Schenkung als Fälschung nachwies, und Angelo Poliziäno
(spr. Ändschelo, + 1494), eigentlich Ambrogini (spr. Ambrodschini), hervorragend als
Humanist und als Dichter, Erwähnung. Von Poliziano rührt das älteste Tauerspiel
der italienischen Literatur, Orfeo, her.