Arbeit und Muße.
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nur in ländlicher Zurückgezogenheit dichten und philosophieren zu
können.
In der Weltstadt Rom wurden alle angestammten Lebens-
anschaunngen erschüttert; man suchte nach neuen Haltpunkten und
geriet unter den Einfluß ausländischer Volkssitten und namentlich
orientalischer Gebräuche, welche durch uralte Geltung und feste Über¬
lieferung auf die ratlos schwankenden Gemüter Eindruck machten. Da
mußten sie aber besonders den Ernst bewundern, mit dem die ein¬
gewanderten Juden inmitten aller Unruhe und Zerstreuung an ihrem
väterlichen Sabbath festhielten, und so wurde schon in den ersten
Zeiten des Prinzipats der Einfluß der siebentägigen Woche bemerkbar,
die mit ihrem regelmäßigen Ruhetage in der Geschichte der Muße die
wichtigste Epoche bezeichnet.
Muße und Gottesdienst hangen freilich bei allen Völkern nahe
zusammen, wie Feste und Ferien. Frei von den Sorgen des Berufs,
fern von Hader und Streit, gereinigt von aller Ünsauberkeit des
Alltagslebens und in stiller Sammlung soll man vor den Göttern
erscheinen und ihnen aus dem ganzen Jahre, auf das sie Anspruch
haben, in jedem Monate gewisse Zeitfristen weihen, wo sie in ihr
volles Recht eintreten, feste oder bewegliche Feiertage, wo die Menschen
ohne Unterschied von Rang und Stand in ihrer allen gemeinsamen
Bedürftigkeit und Verpflichtung der Gottheit nahen.
Der Wechsel von Arbeits- und Mußetagen erschien auch den Alten
als etwas so Ursprüngliches, so Unentbehrliches und mit der Religion
Zusammenhängendes, daß sie darin nicht, eine Erfindung menschlicher
Klugheit, sondern eine göttliche Ordnung erblicken; wie Platon sagt,
aus Erbarmen mit dem mühseligen Leben der Sterblichen habe die
Gottheit die Tage festlicher Erholung eingerichtet und ihnen dazu
Apollon und die Musen nebst Dionysos beigesellt.
Mit der Häufung der Festlichkeiten und dem äußeren Glanz ist
aber die ursprüngliche Bedeutung des Festwesens und seine sittliche
Wirksamkeit immer mehr zurückgetreten. In üppigen Seestädten wie
Tarent gab es mehr Feier- als Werktage, und die Verwilderung des
Festjahrs, die Verweltlichung des öffentlichen Kultus und die Zer¬
störung einer vernünftigen Abwechselung von Arbeit und Muße hat
wesentlich dazu beigetragen, die Gesundheit des antiken Volkslebens zu
untergraben.
Darum mußte der gemeinsamen Grundanschauungen ungeachtet
die mosaische Stiftung Griechen wie Römern als etwas wesentlich
Neues erscheinen. An Stelle des unruhigen Schwankens zwischen
heiligen und profanen Zeiten, an Stelle einer künstlichen Teilung in
ganze und halbe Feiertage, war hier ein einfacher und fester Rhythmus