216. Der hörnene Siegfried.
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lernen. A4)6r er schlug so gewaltig auf das Eisen, dass dieses zer¬
sprang und der Amboss in die Erde getrieben ward. Der Meister
fürchtete sich deshalb vor ihm und suchte des wilden Gesellen sich
wieder zu entledigen. Er schickte ihn daher in den nahen Wald zu
einem Köhler; aber unterwegs musste Siegfried an der Höhle eines
greulichen Drachen oder Lindwurms vorbei, und dieser, dachte der
Meister, würde den jungen Helden töten. Wirklich fuhr der Drache
auf den nichts ahnenden Wanderer los, aber Siegfried wehrte sich und
erschlug ihn. Darauf ging er weiter und geriet bald in eine Wildnis,
in welcher es von Drachen, Kröten und anderem giftigen Gewürm wim¬
melte. Ohne sich zu besinnen, riss er eine Menge der stärksten Bäume
aus der Erde, warf sie auf die Untiere und zündete dann den ganzen
Holzstoss an. Aber von der Glut begann die Hornhaut der Ungetüme
zu schmelzen, und ein Strom von dieser Masse floss unter dem bren¬
nenden Haufen hervor. Neugierig tauchte Siegfried seinen Finger
hinein, und siehe da! als er erkaltet war, hatte ihn eine undurchdring¬
liche Hornhaut überzogen. Da bestrich sich der Held den ganzen Leib
aus diesem trägen Strom, und so ward er ganz mit Horn überzogen,
also dass ihn kein Schwert verwunden konnte; nur zwischen den Schul¬
tern blieb auf dem Rücken eine Stelle, die er nicht zu erreichen ver¬
mochte. An dieser sollte er frühzeitig den Tod empfangen.
2. Wie Siegfried Kriemhilden suchte.
Hierauf zog Siegfried auf weitere Abenteuer in die Ferne und kam
nach Worms am Rheine, wo der König Gibich herrschte. Derselbe
hatte drei Söhne und eine wunderschöne Tochter Namens Kriemhild.
Gern hätte Siegfried diese als seine Gemahlin heimgeführt, und auch
sie war dem herrlichen jungen Helden gewogen: aber eines Mittags,
als sie, in Gedanken verloren, in einem offenen Fenster stand, kam
ein riesiger Drache durch die Luft dahergeflogen und entführte sie, um
sie zu seiner Gemahlin zu machen. Von dem Feuer, welches er aus¬
atmete, ward die Burg so hell erleuchtet, als ob sie in Flammen stünde.
Er trug sie aber weit, weit weg in eine ungeheure Berghöhle, wo er
sie mit Speise und Trank reichlich versorgte und ihr alle Liebe und
Freundlichkeit erwies; aber die Jungfrau weinte und klagte und sehnte
sich nach ihrem elterlichen Hause und dabei fürchtete sie sich vor
dem greulichen Ungetüm; denn wenn es atmete, so zitterte und bebte
der Berg unter ihm.
Der König Gibich schickte Boten aus nach allen Richtungen, um
seine verlorene Tochter zu suchen, aber keiner fand eine Spur von ihr.
Darüber war viele, viele Tage lang grosses Trauern und Klagen in der
Königsburg. Siegfried aber ward indessen ein gewaltiger Held von
solcher Stärke, dass er Bären lebendig erjagte und zum Spott an die
Bäume hing. Doch auch er fand trotz seines rastlosen Suchens nir¬
gends die geraubte Jungfrau. Da verfolgte einmal sein treuester Hund
eine seltsame Spur, und Siegfried jagte ihm eifrig nach, ohne an Schlaf