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Neue Strömungen 
5. Konrad Ferdinand Meyer (1825—1898). 
Gedichte. Leipzig 1883. 
a) Gedichte. 
*An Konrad Ferdinand Weher. 
Ein goldner Helm in wundervoller Arbeit, 
in einer Waffenhalle fand ich ihn 
als höchste Zier. 
Und immer liegt der Helm mir in Gedanken 
des Meisters muß ich denken, der ihn schuf, 
bin ich bei dir. D. v. Liliencron 
1. Erntegewitter. 
Ein jäher Blitz. Der Erntewagen schwankt. 
Aus seinen Garben fahren Dirnen auf 
und springen schreiend in die Nacht hinab. 
Ein Blitz. Auf einer goldnen Garbe thront 
5 tioch unvertrieben eine frevle Maid, 
der das gelöste Haar den Nacken peitscht. 
Sie hebt das volle Glas mit nacktem Arm, 
als brächte sie's der Glut, die sie umflammt, 
und leert's auf einen Zug. Ins Dunkel wirft 
io sie's weit und gleitet ihrem Becher nach. 
Ein Blitz. Zwei schwarze Rosse bäumen sich. 
Die Peitsche knallt. Sie ziehen an. Vorbei. 
2. Schnitterlied. 
Wir schnitten die Saaten, wir Buben und Dirnen, 
mit nackenden Armen und triefenden Stirnen, 
von donnernden, dunkeln Gewittern bedroht — 
gerettet das Korn! Und nicht einer, der darbe! 
5 Von Garbe zu Garbe 
ist Raum für den Tod — 
wie schwellen die Lippen des Lebens so rot! 
Hoch thronet ihr Schönen auf güldenen Sitzen, 
in strotzenden Garben, umflimmert von Blitzen — 
io nicht eine, die darbe! Wir bringen das Brot! 
Zum Reigen! Zum Tanze! Zur tosenden Runde! 
Von Munde zu Munde 
ist Raum für den Tod — 
wie schwellen die Lippen des Lebens so rot! 
3. Neujahrsglocken. 
In den Lüften schwellendes Gedröhne, 
leicht wie Halme beugt der Wind die Töne: 
leis verhallen, die zum ersten riefen, 
neu Geläute hebt sich aus den Tiefen. 
5 Große Heere, nicht ein einzler Rufer. 
Wohllaut flutet ohne Strand und Ufer.
	        
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