Full text: Deutsche Dichtung in der Neuzeit (Abt. 2)

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Gedanken, künstlerischer Periodenbau, er¬ 
habene Bilder und kühne Figuren bringen 
die hohe Begeisterung des Dichters zum 
Ausdruck. Die rhythmische Form ist kühn 
und künstlerisch bewegt, doch sind, nament¬ 
lich bei mehr ruhiger, gemütvoller Anschau¬ 
ung auch einfachere Strophenformen nicht 
ausgeschlossen. 
Anmerkung 1. Charakteristisch für die 
Bilder der Ode ist, daß sie meist in 
plastischer Weise weiter ausgeführt und 
zu kleinen Gemälden gestaltet werden. 
Anmerkung 2. Die Ode wird zum Dithy¬ 
rambus, wenn der Dichter von stür¬ 
misch trunkener Begeisterung ergriffen ist; 
ursprünglich war der Dithyrambus ein 
schwungvoller Gesang auf den Weingott 
Bacchus. 
2. Die Hvmne ist die religiöse Ode; 
sie feiert die Gottheit und ihre Eigenschaf¬ 
ten oder die Wunder der Natur als Zeug¬ 
nisse göttlicher Macht und Weisheit. 
3. Die Elegie. 
Die Elegie ist die Poesie der von der 
Empfindung getragenen Betrachtung über 
die Vergänglichkeit des Irdischen. Ihr 
Grundcharakter ist daher der Ton der 
Wehmut; doch schließt dieses nicht aus, 
daß die augenblickliche Stimmung eine le¬ 
bensfrohe ist, wenn nur die Trauer über 
das rasche Entschwinden des augenblick¬ 
lichen Glückes hindnrchzittert. Die Elegie 
verlangt ruhige Rhythmen (das „elegische" 
Distichon oder Trochäen). 
Anmerkung 1. Bei den Griechen hieß 
ursprünglich jedes in elegischen Distichen 
abgefaßte Gedicht Elegie: meist waren 
diese Elegieen politischen Inhalts. 
Anmerkung 2. Eine Elegie in Brief¬ 
form, worin der Dichter historische, my¬ 
thische oder auch erdichtete Personen sich 
gegenseitig ihre Empfindungen mitteilen 
läßt, heißt Heroide. 
4. Die lyrische GedanKenpoesie. 
Gegenstand der lyrischen Gedankenpoesie 
sind edle und erhabene, zwar durch reine 
Verstandesthätigkeit gewonnene, aber im 
Herzen des Dichters geläuterte, mit seinem 
Gefühle getränkte und durch seine Phan¬ 
tasie geschmückte Gedanken. „Der Gedanke 
ist nicht wissenschaftlich verbunden, sondern 
künstlerisch frei, nicht dialektisch vermittelt, 
sondern unmittelbar in der Seele geboren 
und wird ausgesprochen je nach und mit 
dem Echo, das er in der Seele findet." 
Anmerkung. Zur Gedankenlyrik gehören 
eine große Reihe von den Gedichten 
Schillers, der auf diesem Gebiete den 
ersten Rang einnimmt: vgl. Die Glocke, 
Das Ideal und das Leben, Das Glück, 
Würde der Frauen, Macht des Gesanges 
u. a. m. 
5. Lyrische Dichtungen mit lehrhaftem 
EharaKter. 
1. Das Epigramm oder Sinnge¬ 
dicht (ursprünglich eine Inschrift auf einem 
Denkmal, durch welche die Bedeutung des 
Gegenstandes in kurzen, bezeichnenden Wor¬ 
ten ausgesprochen wurde, dann) ein Gedicht, 
in welchem ein Gedanke mit möglichster 
Kürze und Klarheit so dargestellt wird, daß 
der eigentliche Gedankenkern als Lösung 
einer gespannten Erwartung erscheint. Sei¬ 
ner Auffassung und Behandlung nach ist 
das Epigramm entweder vorherrschend em- 
pfindungsreich oder aber heiter und satirisch; 
Witz und Scharfsinn sind sein Grund¬ 
charakter. Die Form des Epigramms ist 
meistens das elegische Distichon. 
2. Die Gnome oder der Spruch ent¬ 
hält einen inhaltsreichen oder bedeutungs¬ 
vollen Gedanken in gedrängtem Ausdruck; 
die Gnome ist vom Epigramm insofern 
verschieden, als dieses sich an etwas Be¬ 
stimmtes, Gegebenes anlehnt, während jene 
einen ganz allgemeinen Gedanken zum Aus¬ 
druck bringt. 
Anmerkung. Eine besondere Art der 
Spruchdichtung ist die Priamel, ein 
Spruch, in welchem sich die ersten Verse 
zum letzten verhalten wie Vordersatz und 
Nachsatz; ähnlich wie im Epigramm 
spannt der Vordersatz die Erwartung 
und der Nachsatz enthält den Aufschluß. 
III. Avis (prama. 
1. Die dramatische Poesie läßt sich in 
gewissem Sinne als eine Verschmelzung 
, der epischen und lyrischen Poesie bezeich¬ 
nen, indem sie wie das Epos Begeben¬ 
heiten zur Anschauung bringt und wie 
die Lyrik innere Zustände darstellt, also 
auf Anschauung und Empfindung zugleich 
einwirkt. Doch ist das Drama von den 
beiden anderen Dichtgattungen wesentlich 
verschieden. Der dramatische Dichter führt 
uns die Begebenheiten nicht durch Erzäh¬ 
lung vor, sondern läßt sie aus dem Cha¬ 
rakter handelnder Personen vor unsern Augen 
sich entwickeln; die Begebenheit wird dadurch 
zur Handlung, d. h. zu einer auf Beweg¬ 
gründen beruhenden Begebenheit. Ander¬ 
seits ist es nicht die Subjektivität des Dich- 
I ters, welche im Drama hervortritt, sondern
	        
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