18 Berliner Stadtgeschichten.
Zu erwähnen ist noch die Befestigung Berlins, welche unter des
Großen Kurfürsten Regierung vollendet wurde und Angesichts der von Neuem
drohenden Kriegsgefahren sich als eine — wenn auch lästige — Notwendigkeit
zum Schuh der Hauptstadt herausstellte.
Wertin als königliche Stadt. Wie anders war die Lage der Stadt,
verglichen mit der Zeit des Ablebens Georg Wilhelm's, als Kurfürst Friedrich III.
ün Jahre 1688 znr Regierung kam. Berlins Stern erschien sichtlich im Auf-
gauge und erhielt neuen Glanz, als der Kurfürst unter dem Namen Friedrich I.
sich am 17. Dezember 1700 zu Königsberg die Krone Preußens aufsehte
und am 6. Mai 1701 seinen feierlichen Einzug durch das Georgenthor und
die Georgeustraße, fortan Köuigsthor und Königsstraße genannt, hielt. Wie
schon unter seinem Vater moskowitische und tatarische Gesandtschaften, ja ein
Negerkönig die Residenz aufgesucht hatten, so wurde das Interesse und die
Bedeutung, welche sie bereits in Europa zu erregen begann, durch wiederholte
Besuche Zar Peter's des Großen öffentlich bekundet, woneben der Glanz des
neuen königlichen Hofes noch vielfach fürstlichen Besuch nach Berlin lockte.
Daß eiu so prachtliebender Monarch auch für die Erweiterung der Stadt
sorgte, liegt nahe. So erfolgte der großartige Ausbau nach Süden zu, der
unter dem Namen „Friedrichsstadt" begriffen wird und die längste Straße
Berlins, die Große Friedrichsstraße, mit ihrem System von Parallelstraßen
enthält. Es ist dies der am regelmäßigsten gebaute, zugleich auch einer der
schönsten und wohlhabendsten Theile der Metropole, dem an Ausdehnung und
Ausbildung wenige Hauptstädte der Welt etwas Aehnliches an die Seite zu
setzen haben. Am meisten erinnert an die Friedrichsstadt ein Theil der Avenüen
von New-Aork. Mag das Wort des Enkels Friedrich's I., eine der vielen sar-
kastischen Bemerkungen Friedrichs des Großen, in Bezug auf seinen Gro߬
vater, daß er groß in Kleinigkeiten und klein in großen Dingen gewesen,
von seinem politischen Leben im Allgemeinen richtig sein; in Bezug auf
Berlin ist Preußens erster König jedenfalls groß in großen Dingen gewesen.
Ein Beweis für seine Anstrengungen liegt auch darin, daß, während die Be-
Wohnerzahl Berlins bei seinem Regierungsantritt 20,000 betrug, sie 1700 auf
29,000 uud bei seinem Tode 1713 bis auf 61,000 Seelen gestiegen war.
Wie vielfach unter den brandenbnrgifch-prenßifchen Regenten die nnver-
mitteltsten Gegensätze auf einander gefolgt sind, so wurde die Prachtliebe
Friedrich's I. durch die haushälterischste Knappheit seines Sohnes urplötzlich
abgelöst. Au Stelle der Prachtbauten, auf welche wir im folgenden Kapitel
einzugehen haben, ließ der sparsame König Friedrich Wilhelm I. sich den Ausbau
der Vorstädte durch bürgerliche Häuser augelegeu fem, so den der Spandaner
und Stralauer Vorstadt, der Dorotheen- und Friedrichsstadt. Mehrere der
bekanntesten uud wichtigsten Plätze verdanken ihm ihre Anlage, z. B. das „Rondel"
an: Ende der Friedrichsstraße, jetzt Belle-Allianee-Platz, das „Achteck" am Ende
der Leipziger Straße, jetzt Leipziger Platz, das „Quarre" am Ende der Straße
Unter den Linden, jetzt Pariser Platz. Daß der König bei diesen Schnellbauten,
seiner reizbaren Natur entsprechend, oft gewaltthätig vorging, ist bekannt. Der
landesväterliche Krückstock wurde geschwungen, und mancher Berliner Bürger,
der auf der Straße herumstand, hat, um eiuer näheren Bekanntschaft mit dem