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anzugeben, unter welchen Verhältnissen das Königreich Noricum, das ist
Steiermark, Kärnten und Ober- und Niederösterreich, unter römische Bot¬
mäßigkeit gekommen ist; wahrscheinlich war dies schon in der ersten Hälfte der
Augustischen Regierung, wenn auch nur in loser Form geschehen. Aber das
Vorschieben der Standlager an die mittlere Donau erfolgte um diese Zeit.
Pannonien, das ist derjenige Teil von Ungarn, den nördlich und östlich die
Donau, südlich die Drave umfaßt, ist erst in viel späterer Zeit, wahrscheinlich
erst unter Traian, von den römischen Truppen besetzt, erst damals die Stand¬
quartiere an der Drave mit denen von Ofen und Raab vertauscht worden.
Um so auffallender ist es und nur durch die Kombination mit jener
Vorbewegung an die Elbe zu erklären, daß wir im Jahre 759 die römische
Südarmee in Carnuntum finden, das heißt in der Gegend von Wien, und
im Begriff, die Donau zu überschreiten und sich am andern Ufer festzusetzen.
Augenscheinlich wollte man das Marchtal gewinnen und dieses mit der
Linie der Elbe verbinden; noch diesen Schritt vorwärts, noch Prag nach
Wien, und der eiserne Ring, der Großdeutschland umklammern sollte, war
geschlossen.
Man traf hier auf ein letztes Hindernis. Vor dem gewaltigen Andringen
der italienischen Eroberer war ein Teil der Germanen ostwärts ausgewichen,
so die Marsen und vor allem die Markomanen. Vierzehn Jahre zuvor hatte
Drusus in dem Jahre seines Todes mit diesen nicht fern vom Rhein gestritten
und sie nach hartem Kamps überwunden. Seitdem hatten sie sich über das
Fichtelgebirge nach Böhmen gezogen und hier zu einem mächtigen Kriegerstaat
sich konsolidiert, der, anders als die Germanen sonst gewohnt waren, sich
einen König gesetzt hatte in dem tapferen und des Krieges nicht bloß, sondern
auch der römischen Kriegskunst kundigen Maroboduus. Die zehnjährige Unter¬
brechung der begonnenen Arbeit rächte sich. Maroboduus oder, wie wir ihn zu
nennen pflegen, Marobod, hatte sich bis dahin streng in der Defensive gehalten,
weder jenseits der Donau noch jenseits der Gebirge sich den vordringenden
Römern entgegengestellt; aber dem Angriff, der jetzt von zwei Seiten her
gegen ihn gerichtet ward, war er entschlossen, mit seinen gewaltigen und nach
Möglichkeit disziplinierten Massen standzuhalten. Von Westen her kam die
Rheinarmee durch das Land der Chatten, ohne Zweifel von Mainz her den
Main hinauf, durch die damals vom Spessart zum Fichtelgebirge sich aus¬
dehnenden Waldmassen mit Axt und Feuer den Weg sich bahnend, unter
Führung des tüchtigen Gaius Sentius Saturninus, der in den germanischen
Kriegen der beiden letzten Jahre neben Tiberius der Zweite im Kommando
gewesen war. Gleichzeitig überschritt die Südarmee unter Tiberius' eigener
Führung die Donau, schlug auf dem linken Ufer ein festes Winterlager und
marschierte in Böhmen ein. Alles ward mit der dem Tiberius eigenen präzisen
Sicherheit ausgeführt; die römischen Armeen, in der Gesamtstärke von zwölf
Legionen, zwei Drittel der ganzen damals vorhandenen römischen Streitmacht,
standen bereits nicht mehr als zehn Tagemärsche voneinander und hofften in