Object: Das Mittelalter (Theil 2)

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gegen den Bären, aber — verfehlt ihn. Nun erfaßt dieser mit den Tatzen 
des Ritters Kellet und reißt ihn zu Boden. Zwar erhebt sieh Gottfried 
augenblicklich, aber indem er sein Schwert, das beim Fallen vom Pferde 
ihm zwischen die Beine gekommen ist, abermals zieht, verwundet er sich in 
den Schenkel. Doch stößt er es dem Ungeheuer in die Kehle. Wüthend 
setzt der Bär den Angriff fort und Gottfrieds Blutverlust wird immer 
größer, immer mißlicher der Ausgang. Da sprengt, herbeigeführt durch 
das Geschrei des geretteten Kreuzfahrers einer von Gottfrieds Rittern 
heran und giebt dem Ungeheuer den Rest. Jetzt erst fühlt der Herzog das 
Uebermaß seiner Erschöpfung. Schwach, bleich, mit dem Tode ringend, 
kaun er kaum mehr stehen. Auf einer Tragbahre wird er unter dem 
Wehklagen des ganzen Heeres iu's Lager zurückgeschafft, und lange Zeit 
vergeht, bis er völlig hergestellt ist. 
3. 
Antiochien war, bis auf die feste Burg, von dem Kreuzheer erobert, 
und 10,000 Einwohner dieser großen Stadt wurden erschlagen; allein so 
glänzend anfangs auch die Beute war, bald kam wieder die Noth. Kor- 
boga, Fürst von Mosul, zog mit einem ungeheuren Heere der Seldschucken 
heran und schloß die Christen in Antiochien ein. Aus Belagerern wurden 
nun diese Belagerte, die bald in Hungersnoth kamen. Vielen der Kreuz¬ 
fahrer entsank der Muth so sehr, daß sie au Stricken sich von der Mauer 
herabließen und entrannen; davon bekamen sie den Namen „Strickläufer." 
Selbst der Kaiser Alepius hatte wegen dieser Strickläufcr Augst bekommen, 
daß er nicht zum Entsatz herbeizukommen wagte. Ohne Muth und Trost 
saßen die Wallbrüder in den Häusern, ohne au die Vertheidigung der 
Mauern ihre Kraft zu wenden; da ließ Boemund an 2000 Häuser in 
Brand stecken, um nur die Säumigen herauszutreiben. Gottfried theilte 
sein letztes Brod mit seinem Freunde Heinrich von Hache, aber er erklärte 
auch mit feierlichem Eide, daß er nur als Leiche Antiochien räumen, lebend 
aber den Zug nach Jerusalem nie aufgeben werde. 
In dieser bedränguißvollen Lage war die Rettung nur von der Er¬ 
neuerung der hingestorbenen Begeisterung zu erwarten. Nur dann, so 
schien es, konnten die Kreuzfahrer auf sich selbst vertrauen, wenn sie dem 
Himmel vertrauten. Priester und Heerführer besserten sich daher, durch 
das Gerücht himmlischer Erscheinungen und Tröstungen dieses Vertrauen 
zu erwecken. Zuerst hieß es, der heilige Ambrosius, ehemals Erzbischof 
von Mailand, sei einem italienischen Priester erschienen und habe ihn ver¬ 
sichert, daß die Kreuzfahrer nach drei harten Prüfungsjahren Jerusalem 
erobern und alle Ungläubigen besiegen würden. Daun meldete ein anderer 
Priester, Namens Stephan, Christus selbst, begleitet von der heiligen 
Jungfrau und dem Apostel Petrus, sei ihm erschienen und habe ihm auf¬ 
getragen, den Kreuzfahrern zu sagen, würden sie zu ihm zurückkehren, so 
wolle er auch zu ihnen zurückkehren und binnen fünf Tagen ihnen helfen.
	        
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