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Prosaheft VII.
sterblichkeit einschlagen, hängen immer zugleich von der Richtung ihrer
Phantasie, den Gewohnheiten ihres Denkens, dem Rangverhältnis ihrer
geistigen Interessen ab. Es kann darum fromme Menschen geben, die
sich noch bedenken, der geistigen Macht des Universums die Züge der
Persönlichkeit zuzuschreiben. Und es kann auch eine Gesinnung, der es
genügt, mit dem llnendlichen zusammenzufließen, frömmer sein als ein
Glaube, dem an der Erhaltung der endlichen Persönlichkeit mit ihren
Schranken alles hängt. Es muß in der Religion Raum bleiben für
mancherlei Weisen, ihren Besitz auszulegen und dnrchzudenken. Wer
nur von der Vielheit der Kräfte in der Welt hindurchdringt zu der
einen, höchsten, geistigen Macht, der hat in seiner Anschauung die Ge¬
meinschaft mit Gott, und wer mitten in der Endlichkeit eins wird mit
dem Unendlichen und ewig ist in dem Augenblick, der bekennt und er¬
lebt die Unsterblichkeit der Religion.
Wir stehen am Ende eines geschlossenen und kühnen Gedanken¬
ganges. Schleiermacher hat seine Zusage gehalten, uns die Religion
nicht von ihren Grenzen her zubeschreiben, sondern uns in ihren leben¬
digen Mittelpunkt zu versetzen. Manches, was wir zu den unverlierbaren
Grundlagen und Inhalten der Religion selbst rechnen, ist dabei als
bloßes Außenwerk eingeschätzt worden. Es war unverkennbar seine Ab¬
sicht, die Religion recht weit zu fassen, so daß keine individuelle Gestalt
derselben, keine mit frommem Sinn irgend verträgliche Denkweise aus¬
geschlossen bleibe. Auch Spinozas fromme Betrachtung des Weltalls
in seinem streng notwendigen Gang, auch Fichtes Glaube an eine sitt¬
liche Weltordnung, der eben damals mit dem Vorwurf des Atheismus
gebrandmarkt wurde, soll als Religion gelten. Es soll dadurch nur
um so mehr hervortreten, daß die Menschheit alles höhere Leben, alle
ideale Betrachtung der Welt, allen Glauben an Menschenwürde und an
einen ewigen Gehalt der Geschichte der Religion zu danken habe.
Die Kehrseite ist freilich, daß sich der Redner auch einer allzu
deutlichen Zeichnung der Religion, einer zu engen Begrenzung ihrer
Umrißlinien enthalten mußte. Er spricht nicht, wie wir erwarten möchten,
schlechtweg von Gott; er wählt dafür die vielfach unbequemen Aus¬
drücke: Universum, Weltgeist, Genius der Menschheit, llnendliches.
Er zieht keine Grenzlinie zwischen dem religiösen Theismus und
einem auch noch religiösen Pantheismus. Aber wir gehen nicht fehl,
wenn wir annehmen, daß ihm das Universum doch durchaus eine geistige
Macht ist, unumschränkter als die Persönlichkeit, die uns in menschlicher
Erscheinung entgegentritt, aber nicht minder bewußt, planvoll ordnend,
ihre Geschöpfe mit Liebe umfassend und mit Weisheit leitend. Wenn
man erst die Menschheit gefunden haben muß, um das Unendliche zu
ergreifen und zu verstehen, so kann dies Unendliche nicht bloße Natur¬
kraft sein, es muß die Vollendung des geistigen Lebens umschließen,