R. Koser, Der Philosoph von Rheinsberg.
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dafür verantwortlich zu machen. „Viag Gott uns die Freiheit lassen,
übel zu tun, oder mag er unmittelbar uns zum Verbrechen drängen,
das kommt ungefähr auf dasselbe heraus." Alles in allem erklärt er,
eine Art Trost in dieser absoluten Fatalität zu finden, „in dieser Not¬
wendigkeit, die alles verfügt, unsere Handlungen lenkt und die Geschicke
bestimmt."
Für Friedrich hatte seine Philosophie allzeit eine praktische Be¬
deutung. So ist auch dieses Wort, daß er in der absoluten Fatalität
eine Art Trost finde, ganz aus persönlicher Erfahrung gesprochen. Noch
oft ist ihm dieser Überzeugungsglaube in schweren Stunden zum Labsal
seines Herzens geworden. Zunächst, als die Widerwärtigkeiten noch ein¬
mal an ihn herantraten, die er längst hinter sich geglaubt hatte, während
eines längeren Zusammenseins mit dem Vater im Winter von 1768
auf 1739.
„Ich weiß zu wohl," schrieb er damals aus Berlin an einen seiner
älteren Freunde, „daß man sich den unwiderruflichen Gesetzen des Ge¬
schickes nicht entziehen kann, daß der Strom folgerichtiger Ereignisse
uns willenlos mit sich fortreißt, und daß es Torheit wäre, sich dem
widersetzen zu wollen, was Notwendigkeit ist und was von aller Ewig¬
keit her also geordnet war. Freilich ein Trost, der aus der Unvermeid-
lichkeit des Übels genommen wird, ist nicht sehr geeignet, das Übel
leichter zu machen; aber es liegt doch etwas Beruhigendes in dem Ge¬
danken, daß das Bittere, was wir schmecken müssen, nicht die Wirkung
unserer Verschuldung ist, sondern zu der Absicht und Ordnung der Vor¬
sehung gehört."
Wer tief im Innersten die Dinge so betrachtete, der durfte auch
nicht eigentlich sagen, wie Friedrich dies in seinem Streite mit Voltaire
tut, daß er keinen persönlichen Grund habe, sich lieber aus die Seite
der absoluten Fatalität als auf die der Freiheit zu stellen. Das erneute
positive Bekenntnis seines alten fatalistischen Glaubens, das Friedrich
im Januar 1739 ablegt, läßt denn auch ersehen, daß der völlige Rück¬
zug aus das neutrale Gebiet der Skepsis, den er vorher Voltaire an¬
gekündigt hatte, doch nur ein scheinbarer war. Wenn Friedrich in den
verschiedenen Systemen Gründe und Gegengründe abwog, dann allerdings
vermochte sein Verstand kein Genüge zu finden, und er klagte, daß die
Widersprüche hüben und drüben ihn in einen entsetzlichen Pyrrhonismns
würfen; er schalt die Metaphysik ein nndurchmessenes Meer, welches
durch Schiffbrüche berüchtigt sei, ohne daß sich die gehofften Ent¬
deckungen machen ließen; er erklärte schließlich, noch nicht in dem Alter
zu sein, um zwischen Kopernikus, Descartes, Newton und Leibniz Partei
zu nehmen, und Hielt es deshalb mit Bayle, „dem erlauchten Skeptiker,
der mit seiner Dialektik schwer bewaffnet gegen die Doktoren alle in
die Turnierschranken tritt" und lediglich über das Für und Wider be-