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8. Doch hat er, so geübt, so vollgehaltig,
Dies bretterne Gerüste) nicht verschmäht;
Hier schildert er das Schicksal, das gewaltig
Von Tag zu Nacht die Erdenachse dreht;
Und manches tiefe Werk hat reichgestaltig
Den Wert der Kunst, des Künstlers Wert erhöht.
Er wendete die Blüte höchsten Strebens,
Das Leben selbst an dieses Bild des Lebens.
9. Ihr kanntet ihn, wie er mit Riesenschritte
Den Kreis des Wollens, des Vollbringens maß,
Durch Zeit und Land der Völker Sinn und Sitte,
Das dunkle Buch mit heiterm Blicke las;
Doch wie er atemlos in unsrer Mitte
In Leiden bangte, kümmerlich genas?),
Das haben wir in traurig schönen Jahren,
Denn er war unser, leidend miterfahren.
10. Ihn, wenn er vom zerrüttenden Gewühle
Des bittern Schmerzes wieder aufgeblickt,
Ihn haben wir dem lästigen Gefühle
Der Gegenwart, der stockenden, entrückt,
Mit guter Kunst und ausgesuchtem Spiele
Den neubelebten, edlen Sinn erquickt,
Und noch am Abend vor den letzten Sonnen?)
Ein holdes Lächeln glücklich abgewonnen.
11. Er hatte früh das strenge Wort gelesen,
Dem Leiden war er, war dem Tod vertraut.
So schied er nun, wie er so oft genesen;
VNun schreckt uns das, wofür uns längst gegraut.
Doch schon erblicket sein verklärtes Wesen
Sich hier verklärt, wenn es herniederschaut.
Was Mitwelt sonst an ihm beklagt, getadelt,
Es hat's der Tod, es haͤt's die Zeit geadelt.
12. Auch manche Geister, die mit ihm gerungen,
Sein groß' Verdienst unwillig anerkannt,
Sie fühlen sich von seiner Kraft durchdrungen,
In seinem Kreise willig festgebannt.
) Die 8. Strophe redet von seiner Rückkehr zur dramatischen Poesie.
Seine in Weimar gedichteten Tragödien wurden mit steter Rücksicht auf die
Bühne gearbeitet, an deren Vervollkommnung er durch persönliches Einwirken
großen Anteil hatte. — 2) Seit der schweren Krankheit im Jahre 1791 war
Schillers Gesundheit stets schwankend. 3) Am Abend vor seiner letzten
Erkrankung, am 30. April 1805, war Schiller im Theater; am Schlusse des
Stückes befiel ihn ein heftiges Fieber, der Anfang der tödlichen Krankheit.