Full text: Für obere Klassen (Theil 3)

Flamme schlug auf und loderte lang hin, breit und noch bleicher als der 
Kern umflimmert. Jede solche Flaͤmme war ein Blitz. Dies Licht nur 
ließ mich die zerzausten und theilweis zerstückten Tannen erkennen. Der 
Sturm sang sein tollstes Lied, er schüttelte die Bäume, und mich schüttelte 
der Froft und inneres Beben. Furcht war es nicht, denn ich war innig 
heiter; aber ich ertrug die Spannung der Luft und der Nerven nicht; ich 
sank halb wach, halb schlummertrunken zusammen. — Es giebt keine Zeit, 
wenn man nur sich und der Natur gehört; sie zog an mir vorüber, ohne 
daß ich von ihr wußte. Die Wolke war mit fortgegangen; ich sprang auf, 
als das Reh, das nur noch mich zu fürchten hatte, von dem Jungen ge⸗ 
folgt, entfloh. Nur einzelne Fetzen mochten noch an mir vorübergeweht 
werden, denn ich konnte mit meinen, jetzt noch nachtgewohnten Augen von 
Zeit zu Zeit klar sehen. Die Sterne funkelten durch Risse in den oberen 
Wolkenschichten, die noch sanften Sprühregen herunterschickten, und endlich 
brach auch der Mond voll und groß aus seinem Versteck. 
Ich werde wohl nie wieder ein solches Schauspiel erleben. Das sel— 
tene Phaͤnomen eines Mondregenbogens vor mir; das dumpfe Verrollen 
des Donners seitwärts, und mit ihm Blitze, die jetzt blau leuchteten; die 
düsteren Tannen mit Brillanten besät — es war erhaben schön. Dazu 
dicht bei mir nur das klingende Rieseln der Tropfen, in Pausen aber athem⸗ 
lose Stille. Ich weiß nicht, wann die Natur größer war — in ihrer 
Zuͤgellosigkeit, im Schnaufen des Zorns, oder in der lächelnden Harmonie 
der Versöhnung. M. Waldau. 
13. Nachtfahrt am ligurischen Strande. 
Mit abgemessenen Ruderschlägen gleiten wir langsam durch die am— 
brosische Nacht. Die Sonne ist gesunken; ihr rother Widerschein leuchtet 
uns auf dem feuchten Pfade. Vor den verwitterten Felsen, an den steil 
ansteigenden blättrigen Schichten der Uferkalke mit ihren Höhlen und Rissen 
borben segeln wir in die ruhige Bucht von St. Hospice. Wir landen. Die 
Schatlen der Oelbäume empfangen uns, wie die geheimnißvollen Wöl— 
bungen eines gothischen Doms. Vom Boden auf blitzt ein Funke, hier 
wieder einer. Die engen Wege füllen sich mit kleinen pulsirenden Licht— 
chen, die auf und ab, hin und her schweben, aufglimmend in grünlichem 
Feuer, dann wieder in Nacht verschwindend. Mit jedem Augenblicke tau— 
chen neue glitzernde Flämmchen unter den Oelbäumen auf; das Laub er— 
hellt sich; bald glänzt und blinkt es rings: eine unzählige Schaar beweg— 
ücher Sterne. Es ist, als hätte sich der Boden in eine weite Schale 
verwandelt, aus der, wie bei einem Zaubergebräu, Myriaden Funken sich 
in die Luft erheben, hin und her huschend, blitzend, erlöschend und wieder 
aufglühend. Das sind die Leuchtfliegen von St. Hospice! Millionen flie— 
gender Johanniswürmchen! 
Die Nacht ist unterdessen vollständig geworden. An den Felswänden 
hin drückt sich ein Fischer auf plattem Boote, in der einen Hand das kaum 
plätschernde Ruder, in der andern den Dreizack mit den stählernen Spitzen 
Auf seiner Barke brennt die Pechpfanne und wirft rothe, flackernde Lichter
	        
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