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„Ja, Herr Kriegsrath; aber die Leute müssen auch leben,
und nach dem bekannten Sprüchwort. . ."
„Kein Aber, mein guter Kerl! das bitte ich mir aus; und
noch weniger Sprüchwörter, wenn sie auch aus deinem gestempel¬
ten A-B-C-Buch I sein sollten. Sie sind mir verhaßter, als die
Rechtsregeln. und du weißt schon aus der Erfahrung, daß ver¬
gleichen im Kammeretat 2) nicht gut gethan werden."
„Je nun, ich sage ja weiter nichts, als der Mann kann von
den hundert Thalern, die er des Jahres hat, nicht leben, und
wenn er die Augen zu weit aufthut, so thun die Kaufleute den
Beutel zu."
„Schon wieder eine Sentenz. 3) Aber weißt du auch wohl,
Johann, was Leben sei? Leben ist, ja Leben ist, daß man lebt.
Aber wie? das ist die Sache. Der Fürst klagt, daß er nicht
leben kann, der Feldmarschall kann nicht leben, der Kriegsrath
kann nicht leben, der Thorschreiber kann nicht leben, und vielleicht
kannst du auch von den zehn Thalern, die ich dir des Jahrs
gebe, nicht leben. Das ist mir ein Leben, wovon der Schluß
allezeit ist, wir müssen Betrüger werden. Wenn ich dich zum
Thorschreiber beförderte, und dies ist doch dein größter Wunsch,
so würdest du ja auch nicht leben können."
„Freilich nicht, Herr Kriegsrath; aber ich hätte denn doch
bessere Gelegenheit, als jetzt bei Ihnen, meine fünf Sinne zu ge¬
brauchen. Wenn ich alsdann nur meine Augen des Tages einmal
zuthue, so stehe ich weit besser, als wenn ich sie bei Ihnen Tag
und Nacht aufsperre."
„Und dennoch, du magst es mir nur auf mein Wort glauben,
wirst du nicht leben können. Der König hörte einmal, daß ein
Gartenjunge sich beschwerte, er könnte nicht leben. Er machte ihn
darauf zu seinem Hofgärtner; allein er konnte wieder nicht leben.
Er kam als Sekretär an die Gartenkanzlei; noch konnte er nicht
leben. Er wurde endlich Oberaufseher aller Gärten und Lust¬
schlösser; und nun glaubte der Fürst, er würde gewiß leben kön¬
nen. Aber nein; Bob, so hieß er, hielt jetzt Kutschen und Pferde,
er hatte Bediente, hielt Tafel und spielte, als wenn er große
Lieferungen gehabt hätte; und wie ihn sein Herr fragte, ob er
nun leben könnte, so gab er ihm zur Antwort: Ach, gnädigster
Herr! der Staat erfordert heutigen Tages so viel; cs gehört so
viel Ueberfluß zum Nothwendigen; man wird so wenig geachtet,
wenn man nicht seinem Range gemäß lebt; die Frauen sind solche
kostbare Puppen, und die Kinder, wenn ich sie standesmäßig er¬
I Kalender.
2) Kammer-Regierung. Etat (spr. Etah) = Ueüerschlag der Einnahme.
2) Sinn- oder Denkspruch.
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