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solle. Es geschah dieses, um manches bei solchem Anstürmen unver¬ 
meidliche Unglück zu verhüten. Allein um doch einigermaßen dem 
Genius des Pöbels zu opfern, gingen eigens bestellte Personen hinter 
dem Zuge her, lösten das Tuch von der Brücke, wickelten es bahnen¬ 
weise zusammen und warfen es in die Luft. Hierdurch entstand nun 
zwar kein Unglück, aber ein lächerliches Unheil; denn das Tuch ent¬ 
rollte sich in der Luft und bedeckte, wie es niederfiel, eine größere 
oder geringere Anzahl Menschen. Diejenigen nun, welche die Enden 
faßten und solche an sich zogen, rissen alle die mittleren zu Boden, 
umhüllten und ängstigten sie so lange, bis sie sich durchgerissen oder 
durchgeschnitten und jeder nach seiner Weise einen Zipfel dieses durch 
die Fußtritte der Majestäten geheiligten Gewebes davongetragen hatte. 
Dieser wilden Belustigung sah ich nicht lange zu, sondern eilte 
von meinem hohen Standorte durch allerlei Treppchen und Gänge 
hinunter an die große Römerstiege, wo die aus der Ferne angestaunte, 
so vornehme, als herrliche Masse heraufwallen sollte. Das Gedränge 
war nicht groß, weil die Zugänge des Rathauses wohlbesetzt waren, 
und ich kam glücklich unmittelbar oben an das eiserne Geländer. Nun 
stiegen die Hauptpersonen an mir vorüber, indem das Gefolge in den 
untern Gewölbgängen zurückblieb, und ich konnte sie auf der dreimal 
gebrochenen Treppe von allen Seiten und zuletzt ganz in der Nähe 
betrachten. 
Endlich kamen auch die beiden Majestäten herauf. Vater und 
Sohn waren wie MenächmenZ überein gekleidet. Des Kaisers Haus¬ 
ornat von purpurfarbner Seide, mit Perlen und Steinen reich ge¬ 
ziert, sowie Krone, Zepter und Reichsapfel fielen wohl in die Augen; 
denn alles war neu daran und die Nachahmung des Altertums ge¬ 
schmackvoll. So bewegte er sich in seinem Anzuge ganz bequem und 
sein treuherzig würdiges Gesicht gab zugleich den Kaiser und den Vater 
zu erkennen. Der junge König hingegen schleppte sich in den unge¬ 
heuren Gewaudstücken mit den Kleinodien Karls des Großen wie in 
einer Verkleidung einher, so daß er selbst, von Zeit zu Zeit seinen 
Vater ansehend, sich des Lächelns nicht erwehren konnte. Die Krone, 
welche man sehr hatte füttern müssen, stand wie ein übergreifendes 
Dach vom Kopfe ab. Die Dalmatika/) die Stola/) so gut sie auch 
angepaßt und eingenäht worden, gewährte doch keineswegs ein vor¬ 
teilhaftes Aussehen. Zepter und Reichsapfel setzten in Verwunde¬ 
rung; aber man konnte sich nicht leugnen, daß man lieber eine mäch- 
4) sehr ähnliche Zwillingsbrüder. 5) Dalniattca, Oberkleid der katholischen 
Priester, Meßgewand; weißes Oberkleid der deutschen Kaiser bei der Krönung. 
6) Schleppkleid, Chorrock.
	        
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