13 
35. Sie sprach: „Wie ihr auch heißet, ihr seid untadelig. 
Einem, den ich kannte, gleicht ihr seltsamlich; 
Er war geheißen Herwig und war von Seelanden; 
Wenn der Held noch lebte, er löst' uns ans diesen strengen Banden. 
36. „Ich bin auch ihrer eine, die mit Hartmuts Heer 
Im Streite gefangen geführt ward über Meer. 
Ihr suchet Gudrunen: das tut ihr ohne Not, 
Die Magd von Hegelingen fand vor großem Leid den Tod." 
37. Da tränten Ortweinen seine Augen licht; 
Die Kunde ließ auch Herwig unbeweinet nicht. 
Als sie das vernahmen, daß gestorben wäre 
Die Magd von Hegelingen, das belud ihr Herz mit großer Schwere. 
38. Als sie die Helden beide vor sich weinen sah, 
Die geraubte Jungfrau sprach zu ihnen da: 
„Ihr gehabt euch also bei dieser Trauermäre, 
Als ob die edle Gudrun euch verwandt, ihr guten Helden, wäre." 
39. Da sprach König Herwig: „Wohl traur' ich um die Maid, 
Die mir verheißen wurde auf alle Lebenszeit. 
Sie war mir zugeschworen mit Eiden fest und stäte; 
Nun hab' ich sie verloren durch des alten Ludwigs grimme Räte." 
40. „Ihr wollt mich betrügen," sprach die arme Magd. 
„Von Herwigens Tode ward mir oft gesagt. 
Tie höchste Wonn' auf Erden sollt' ich in ihm gewinnen; 
Wär' er noch am Leben, er hätte mich wohl geführt von hinnen." 
41. Da sprach der edle Ritter: „So seht meine Hand, 
Ob ihr dies Gold erkennet; Herwig bin ich genannt. 
Mit diesem Mahlschatz6 *) sollt' ich Gudrunen minnen; 
Seid ihr die mir Verlobte, wohlan, ich führ' euch minniglich von 
hinnen." 
42. Wie nach der Hand sie schaute und nach dem Ringelein, 
Da lag in dem Golde von AbalieH der Stein, 
Der beste, den sie je gesehn all' ihres Lebens Tage; 
Einst hatt' ihn Gudrun, die schöne, selbst an der Hand getragen. 
43. Sie lächelt' in der Freude; da sprach das Mägdelein: 
„Das Gold erkenn' ich wieder, vor Zeiten war es mein. 
Nun sollt ihr dieses sehen, das mein Geliebter sandte, 
Da ich armes Mädchen mit Freuden war in meines Vaters Lande." 
6) Verlobungsring. 7) ein östliches Land, durch kostbare Kleiderstoffe und rotes 
Geld berühmt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.