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die Bäume und Sträucher zu allerlei regelrechten Figuren geschnitzt
hat; wenn man in seinen Knhstall tritt, der so reinlich und nett gefegt
ist, daß eine Prinzessin mit ihrem Schleppkleide hindurchgehen könnte,
ohne daß sich etwas Ungebührliches daran hängte: dann begreift man
den Inhalt des holländischen Wortes Moje, diesen Inbegriff alles
Zierlichen, Bequemen und Lustigen. Dieses weiche Wort drückt ganz
das holländische Wesen aus. Aber störe diesen Seelöwen auf, jage
ihn von den Klippen der stillen sonnigen Lage ins Wasser, da siehst
du ihn spielen und plätschern, da hörst du ihn brausen, da bläst er
das Wasser aus seinen Nüstern himmelan, da brüllt auch sein Zorn
mitunter auf, daß dir vor Grausen die Haare zu Berge stehen. Der
sonst so stille und ruhige Mensch wird ein ganz anderer, wenn er auf
dem Meere schaltet und waltet, seine Hände und Füße regen sich ge¬
schwinder, wenn er den Wellen und Winden Trotz bietet. Freilich ist
er ruhig und besonnen und behaglich; aber in seinem Innern steckt
eine Hartnäckigkeit, eine Trotzigkeit, Festigkeit und Entschlossenheit des
Willens, die der Teufel nicht beugen kann; wie sehr auch in vielen eine
gewisse stumme Trockenheit und langweilige Einerleiheit sich zeigen
mag, jeder Holländer ist doch ein voller Mensch für sich, mit vielem
Eigenwillen versehen, und zwar nicht bloß mit dem Eigenwillen eines
Pedanten?) Die Sprache ist pedantischer^ und noch träger, als der
Mensch, höchst eintönig und unmusikalisch, der einförmigen Tiefebene
entsprechend.
Um der Einförmigkeit seines Landes gleichsam zu entgehen, hat
sich der Mensch hier mit einem solchen Schmuck des Lebens umgeben
müssen. Die übertriebene Reinlichkeit und Sauberkeit, die uns andern
Deutschen oft peinlich wird; Blumenliebe und Blumenpflege noch
mehr als bei den belgischen Nachbarn, sie ist eine holländische Leiden¬
schaft — ebenso die Farbenfreude; daher hat hier die Malerei fröhliche
Zeiten gehabt. In diesem Lande der Sümpfe und Heiden und Mar¬
schen, wo nur um die Dörfer und Kanäle einzelne Baumreihen sich er¬
heben, und der Mensch hinter seinen Deichen und Wällen den Pflug
und die Sense rührt, hier, wo die Nähe des Meeres und die fast
immer nasse Erde eine feuchte matte Luft und einen oft umnebelten
Himmel zeugt; hier, wo Torf- und Moorboden und Steinkohlenstaub
alles in Schmutz verkommen lassen würden, wenn der Mensch sich
nicht dagegen wehrte: hier mußte er sich in der Freude am Netten,
Heitern und Bunten eine fröhliche Gegenwehr gegen das Graue und
Trübe bereiten. Man muß dies um so höher anschlagen, je mehr man
Schmutzlande sieht, die ihre Bewohner ruhig Schmutzlande bleiben
lassen.
2) einseitiger, an Kleinigkeiten haftender Mensch. 3) einseitig, kleinlich, geschmacklos.