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mitten in die Strömungen seiner Zeit sich gestellt hatte und weil er die
kernige Eigentümlichkeit der römischen Nation, die reale bürgerliche Tüchtig¬
keit vollendet wie kein anderer in sich trug - wie denn auch sein Hellenismus
nur der mit der italischen Nationalität längst innig verwachsene war.
Aber eben hierin liegt auch die Schwierigkeit, man darf vielleicht sagen
die Unmöglichkeit, Cäsar anschaulich zu schildern, wie der Künstler alles
malen kann, nur nicht die vollendete Schönheit, so kann auch der Geschicht¬
schreiber, wo ihm alle tausend Jahre einmal das vollkommene begegnet,
nur darüber schweigen. Denn es läßt die Uegel wohl sich aussprechen,
aber sie gibt uns nur die negative Vorstellung von der Abwesenheit des
Mangels- das Geheimnis der Natur, in ihren vollendetsten Offenbarungen
Normalität und Individualität miteinander zu verbinden, ist unaussprechlich.
Uns bleibt nichts, als diejenigen glücklich zu preisen, die dieses vollkommene
schauten, und eine Nhnung desselben aus dem Abglanz zu gewinnen, der
auf den von dieser großen Natur geschaffenen Werken unvergänglich ruht.
Zwar tragen auch diese den Stempel der Zeit. Der römische Mann selbst
stellte seinem jugendlichen griechischen Vorgänger nicht bloß ebenbürtig,
sondern überlegen sich an die Seite- aber die Welt war inzwischen alt
geworden und ihr junger Schimmer verblaßt. Cäsars Tätigkeit ist nicht
mehr wie die Alexanders ein freudiges vorwärtsstreben in die ungemessene
weite- er baute auf, und aus Nuinen, und war zufrieden, in den einmal
angewiesenen weiten, aber begrenzten Räumen möglichst erträglich und
möglichst sicher sich einzurichten. Mit Recht hat denn auch der feine
Dichtertakt der Völker um den unpoetischen Römer sich nicht bekümmert und
dagegen den Sohn des Philippos mit allem Goldglanz der Poesie, mit allen
Regenbogenfarben der Sage bekleidet. Aber mit gleichem Recht hat das
staatliche Leben der Nationen seit Jahrtausenden wieder und wieder auf
die Linien zurückgelenkt, die Täsar gezogen hat, und wenn die Völker,
denen die Welt gehört, noch heute mit seinem Namen die höchsten ihrer
Monarchen nennen, so liegt darin eine tiefsinnige, leider auch eine be¬
schämende Mahnung.