173
ein beschauliches Dasein, anderwärts sind dem merkwürdigen Nager unsere
Gewässer durch Befahrung und industrielle Nnlagen zu unruhig geworden.
Unsere flüchtige Überschau hat ergeben, daß sich der umgestaltende
Eingriff des Menschen in die Naturwildnis teils richtet auf Veränderung
der pflanzen- und Tierwelt je nach dem Bedarf feiner vornehmlichen Be¬
schäftigung, teils auf Nusführen von Wege-, Wasser- und Hochbauten. In
beiden Richtungen stellt sich die Wasser- und die waldfrage in den Vorder¬
grund. Bei beiden wollen wir noch einen Nugenblick verweilen.
In der wüste schafft sich der Mensch Kulturboden, indem er den in
lichtloser Tiefe schlummernden Wasservorrat durch artesische Bohrung an
die Oberfläche herauffördert, um bald im Schatten von Dattelhainen zu
wandeln, wo sonst der verschmachtungstod drohte. Im amphibischen Sumpf-
gelände gilt es im Gegenteil, des Übermaßes von Wasser sich zu entledigen,
um dann mitunter den allerfruchtbarsten Boden zu gewinnen. Letzteres
war der Fall in Ägypten- in der Deltaflur des Nil war nicht zu leben
als Fischer, Iäger oder Hirt, nur als seßhafter Nckerbauer, dann aber auch
in hohem Wohlstand und wachsendem Volksgewimmel, das zur Arbeitsteilung,
folglich zu hoher Kultursteigerung führte. So zogen die Altägypter den
Kulturboden durch Entwässerung und Dammbauten aus dem Nilschlamm
empor und schufen die eine hauptwurzel der nachmals in Europa aus¬
gestalteten Weltkultur. Die andere hauptwurzel leitet weiter hinaus in
das Mündungsland des Euphrat und Tigris, hier ward in ganz ähnlicher
weise Kulturboden als Grundlage erstaunlich früh gesteigerter Mensch¬
heitsgesittung dem Sumpfdelta der beiden Zwillingsströme enthoben. Über
der ältere, darum höher an den Flüssen hinauf gelegene Veltaboden lag
doch schon zu hoch über dem Stromspiegel, er wurde deshalb nicht mehr vom
Hochwasser erreicht wie der am ägyptischen Nil, man mußte das Wasser
durch Schöpfwerke emporheben und in zahlreiche Kanäle leiten, die zugleich
der Schiffahrt wie der Felderbefruchtung dienten. Das war es, was das
uralte Sumeriervolk und seine Nachfolger in diesem Deltaland, die Thaldäer,
zu weit mühevollerer Leistung stachelte als die Ägypter. Indessen eben
weil dieser Kulturboden von keinem Nil alljährlich von selbst getränkt
und gedüngt wird, verlor er seine Lrzeugungskraft, als der gedankenöde,
die Tatkraft lähmende Kismetglaube des Islams das Leichentuch über das
Land breitete. Babylonien versank in den Wüstenzustand,- trauernd blickt
der Birs Nimrud, der einzige turmartige Trümmerrest Babels, dieser größten
Stadt des Nltertums, auf eine sonnendurchglühte Ebene, der nun das Wasser
fehlt, das einst die Heidenvölker so schaffensfroh heraufholten, hier also
harrt eine seit mehr denn tausend Jahren erstorbene Kulturlandschaft ihrer
Auferstehung, sobald nur das rechte Volk kommt. Glorreicher erscheint
darum die Bezeugung menschlicher wacht über rohe Naturgewalt in den
Niederlanden, weil da noch zur Stunde das Siegeswort Wahrheit spricht: