Full text: Deutsches Lesebuch für Obersekunda (Teil 7)

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Denken wir uns ein würfelförmiges Hohlmaß von 1 Millimeter Seite (1 Ku¬ 
bikmillimeter), so würde dasselbe nach den eben angegebenen Verhältnissen 
von 633 Millionen Stäbchenbakterien ohne Zwischenraum ausgefüllt werden. 
Vach 24 Stunden würden die aus einem einzigen Stäbchen hervorgegangenen 
Bakterien etwa den vierzigsten Teil eines Kubikmillimeters einnehmen- 
aber schon am Ende des folgenden Tages würden die Bakterien einen Kaum 
erfüllen, der 442,570 solcher Würfel, oder was dasselbe ist, etwa Liter oder 
442 Vs Kubikzentimetern gleichkommt. Nehmen wir den Kaum, den das 
Weltmeer einnimmt, gleich 2U der Erdoberfläche und feine Tiefe im Mittel 
gleich einer Meile, so ist der Gesamtinhalt des Dzeans 928 Millionen Kubik- 
meilen- bei stetig fortschreitender Vermehrung würden die aus einem Keim 
entstammenden Bakterien schon nach weniger als 5 Tagen das ganze Welt¬ 
meer vollständig erfüllen- ihre Zahl würde sich dann nur durch eine Ziffer 
von 37 Stellen ausdrücken lassen. 
Koch überraschender sind die Gewichtsverhältnisse. Setzen wir das 
spezifische Gewicht einer Bakterie dem des Wassers gleich, was von der 
Wahrheit nicht viel abweichen kann, so ergibt sich aus den oben angeführten 
Maßen, daß ein einziges Stäbchen 0.000,000,001,571 Milligramm, oder daß 
636 Milliarden Bakterien ein Gramm, oder 636,000 Milliarden ein Kilo¬ 
gramm wiegen. Nach 24 Stunden würde das Gewicht der Bakterien un¬ 
gefähr V<to Milligramm, nach 48 Stunden fast 1 Pfund (442 Gramm) be¬ 
tragen. nach 3 Tagen dagegen nahezu 7V2 Millionen Kilogramm oder ein 
Gewicht von 148,356 Zentnern erreichen. 
Man halte solche Berechnungen nicht für müßige Spielerei' sie allein 
machen uns die kolossalen Arbeitsleistungen der Bakterien verständlich. Nuch 
stützen sie sich nur auf solche Voraussetzungen, die von der Natur selbst 
gegeben sind- wäre z. B. die Dauer des Teilungsvorganges in Wirklichkeit 
auch erheblich länger als die von uns angenommene Stunde, so würden die 
berechneten Zahlen eben nur ein paar Stunden oder Tage später zutreffen. 
Wenn freilich in begrenztem Kaume niemals jene werte auch nur an¬ 
nähernd erreicht werden, so liegt dies nicht etwa daran, daß die Ver¬ 
mehrungsfähigkeit der Bakterien hinter der Kechnung zurückbleibt, sondern 
allein an der beschränkten Nahrung - selbstverständlich erzeugen die Bakterien 
den Stofs nicht selbst, der ihren Körper bildet, sondern sie nehmen ihn 
von außen als Nahrung auf, und es können sich daher nicht mehr Bakterien 
bilden, als ihnen Nahrung geboten wird. Dazu kommt, daß die übrigen 
pflanzen und Tiere auf dieselben Nährstoffe angewiesen sind und sich 
gegenseitig die Existenz streitig machen,' jener grausame Kampf ums Dasein, 
der nach altem Brauch den Unterliegenden zugleich ausrottet, hält die Ver¬ 
mehrung der Bakterien wie aller übrigen Wesen in Schranken,' nur wo 
jene die Gberhand behalten, vermögen sie sich ihrer Mitbewerber, die zu¬ 
gleich ihre Todfeinde sind, zu erwehren. Die Preßhefefabriken geben uns
	        
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