Full text: Mancherlei für Jung und Alt

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Venedigs Kathedrale! Wiederhallend 
Von Weltgeschick und deiner Bürger Los, 
Von Siegeshymnen, Hochzeitsliedern schallend, 
Bei Grabgesängen öffnend deinen Schoß: 
Du sahst die Braut im myrtumkränzten Schleier, 
Der eine Fürstenkrone oft verbarg, 
Du schmücktest dich zu deiner Heldenfeier, 
Empfingst am Baptisterinm sie — im Sarg! — 
Nun ruht Venedigs Ruhm in dir bestattet: 
Zum prücht'gen Mausoleum dient ihm nun 
Das einst'ge Kapitol, um kühn beschattet 
Bei seinen Dogen hier im Grab ¿u ruh'n. 
Venedigs Schatten kniet am Hochaltare, 
Wo seines Namens ew'ge Kerze flammt, 
Begehend an der tausendjähr'gen Bahre 
Ein immerwährend stilles Totenamt. 
Adolf Doerr. 
Die Verbreitung ks Gücherkncks. 
„Auf keine Erfindung oder Geistesfrucht," rühmt Jakob Wimpheling, 
„können wir Deutsche so stolz sein als auf die des Bücherdrucks, die uns 
zu neuen geistigen Trägern der Lehren des Christcntnins, aller göttlichen 
und irdischen Wissenschaft und dadurch zu Wohlthätern der ganzen Mensch¬ 
heit erhoben hat. Welch ein anderes Leben regt sich jetzt in allen Klassen 
des Volkes, und wer wollte nicht dankbar der ersten Begründer unb För¬ 
derer dieser Kunst gedenken, auch wenn er sie nicht, wie dies bei uns und 
unsern Lehrern der Fall, persönlich gekannt und mit ihnen verkehrt hat." 
„Die in Mainz evfunbene Bnchdruckerknnst," schrieb der Kartäuser¬ 
mönch Werner Nolewinck in seinem Abriß der Weltgeschichte, „ist die 
Kunst der Künste, die Wissenschaft der Wissenschaften, durch deren rasche 
Ausbreitung die Welt mit einem herrlichen, bisher verborgenen Schatze 
von Wissen und Weisheit bereichert und erleuchtet worden ist. Eine unend¬ 
liche Zahl von Büchern, welche ehemals in Athen oder Paris oder an 
andern Universitäten und in Bibliotheken nur ganz wenigen Studierenden 
bekannt waren, werden durch diese Kunst jetzt bei allen Stämmen, Völkern 
und Nationen und in jeder Sprache verbreitet." 
Schon Wimpheling hebt im Jahre 1507 die Thatsache hervor, daß 
man von der Regsamkeit und Vielseitigkeit des deutschen Geisteslebens 
jener Zeit im allgemeinen durch nichts eine bessere Vorstellung gewinnen 
könne, als durch die Betrachtung der raschen Ausbreitung der Bnchdrucker¬ 
knnst, die nicht bloß Deutschland in allen größern und in vielen kleinern 
Städten mit geistigen Werkstätten bedeckt, sondern auch in Italien, Frank¬ 
reich, Spanien, selbst im hohen Norden binnen wenigen Jahrzehnten durch 
Deutsche eine sichere Zufluchtsstätte gefunden habe.
	        
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