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und verschwand. Cervantes war nicht im stände, aus eigenen Mitteln
die kleine Summe zu ersetzen; er wurde wegen Veruntreuung öffentlicher
Gelder gefangen gesetzt, erst nach dreimonatlicher Einsperrung wieder frei¬
gelassen, und erst volle elf Jahre später war er im stände, die unbe¬
deutende Schuld an die Staatskasse zu zahlen.
Von 1598—1602 fehlt es uns eigentlich vollständig an Nachrichten
über unsern Dichter. Nach einer allgemeinen Überlieferung, welche sich
auf in der Mancha erhaltene Volksmeinung sowie auf die von Cervantes
in seinen Schriften bewiesene genaue Kenntnis dieser Provinz gründet,
soll er im Auftrag des Großpriors des Malteserordens des letztern Ein¬
künfte in der Mancha eingetrieben haben, und bei diesem Geschäfte von
den zahlungsunlustigen Schuldnern in das Gefängnis zu Argamasilla
geworfen worden sein, aus welchem er den nach seiner eigenen Erklärung
in einem Gefängnis angefangenen Don Quijote stammen läßt; jedenfalls
entstand der berühmte Roman um diese Zeit. Im Jahre 1603 kam
Cervantes nach Valladolid, an den Hof Philipps III., aber auch dieser
letzte Versuch, die Großen der Erde zu einer Verbesserung seiner Lebens¬
verhältnisse zu vermögen, war erfolglos. Cervantes hatte sogar das Mi߬
geschick, bei dieser Gelegenheit infolge eines nächtlichen Gefechtes spanischer
Hofleute, wobei ein Fremder nahe bei dem Hause des Cervantes getötet
ward, nochmals ganz unschuldig ins Gefängnis zu kommen.
Von jetzt an werden die äußerlichen Thatsachen im Leben des Cer¬
vantes selten, aber seine Dichterleistungen groß. Je mehr sein Leib dem
Grabe zugeht, desto mehr wächst sein Geist der Unsterblichkeit entgegen.
Im Jahre 1605 erschien der erste Teil des Don Quijote. Im
Jahre 1606 zog Cervantes wieder nach Madrid und widmete hier die
letzten zehn Jahre seines Lebens ausschließlich schriftstellerischer Thätigkeit.
Im allgemeinen blieb er arm und unbeachtet; doch scheinen der Erfolg
des Don Quijote, sowie einige Unterstützungen zweier Großen, des Erz¬
bischofs von Toledo und des Grafen von Lemos', seine Verhältnisse in
einem gewissen Grad erträglich gemacht zu haben. Im Jahre 1609 trat
er in die Bruderschaft zum heiligen Sakrament, welcher auch Lope de
Vega und andere berühmte Dichter jener Zeit angehörten.
Im Jahre 1613 ließ er seine „Novellas ejemplares“ (Muster¬
novellen) in einem Bande drucken. Im Jahre 1614 erschien seine „Reise
zum Parnaß", eine litteratur geschichtliche Satire, welche jedenfalls für
unsere Zeit keinen großen Wert mehr hat, nebst einer Zugabe, in welcher
der Dichter seine Leistungen auf dem Gebiete des Dramas verteidigt.
Im Jahre 1615 gab er, abgesehen von den 20 bis 30 früher gedichteten,
weitere acht Schauspiele und neun Zwischenspiele heraus, von welchen
im allgemeinen das schon weiter oben Gesagte gilt; er ließ sie drucken,