§ 16. Wolfram von Eschcnbach.
135
Rittertum umfaßt, die eben damals in ihre höchste Blüte traten, stellt er
das gesamte, nur im Ritterstande atmende Leben seiner Zeit, das äußere
wie das innere, mit solcher Treue und Gewissenhaftigkeit dar, als wenn
er es darauf angelegt hätte, die Trachten, Sitten und Gebräuche nicht
minder als den Glauben, die Gesinnung und die höchsten Ideen einer-
schnell vorüberrauschenden Glanzperiode der Nachwelt in einem dauernden
Spiegelbilde zu fesseln. Doch all dieser Reichtum der Begebenheit und
Schilderung, alle Herrlichkeit des Grals, alle Pracht der Tafelrunde
wären verschwendet, wenn sie der Gedanke des Dichters nicht beherrschte
und durchdränge. Was den Parzival zum unvergänglichen Kunstwerke
stempelt, wodurch Wolfram seine welschen Vorgänger, die ihm den Stofs
überliefert haben, weit hinter sich läßt, ist eben das dichterische Bewußt¬
sein , womit er alle diese Äußerlichkeiten auf das innere Leben seines
Helden bezieht, dessen geistige Entwicklung er in allen ihren Phasen offen
vor uns darlegt, den er aus der kindischen Einfalt (tuinxlleit) in die
Entzweiung (zwivel), ja zur Verzweiflung führt, um ihn aus dieser
durch harte Prüfungen geläutert zur Versöhnung und Heiligung, zum
höchsten Glück (chaeläs) gelangen zu lassen."
Kein Wunder daher, daß schon die Zeitgenossen, außer Gottfried von
Straßburg, welcher in der ihm eigenen Richtung für den strengen, sittlichen
Ernst Wolframs kein Verständnis hatte, das Lob des großen Parzival-
dichters trotz seiner häufig verwirrenden Stofffülle und trotz' seiner nicht
selten dunkeln, in oft seltsamen Bildern sich bewegenden Sprache mit
Begeisterung singerG, daß seine weisheitsvolle Kunst im 13. Jahrhundert
sprichwörtlich war, und sein Werk unter den ersten deutschen bereits 1477
dem Druck übergeben wurde.
Seine letzte Ruhestätte fand er im Frauenmünster zu Eschenbach, wo
ihm ans dem Markte der knnstliebende König Max von Bayern im
Jahre 1861 ein sinniges Denkmal setzte.
parzival.
parstvals Erstehung und Jugend.
Parzival ist der Sohn Gamurets ans dem königlichen Hause von Anjou und
der aus dem Geschlechte der Gralskönige stammenden Herzeleide. Da der Hang
nach Wafsenthaten den Vater in die ferne Welt und in einen frühen Tod getrieben,
beschließt die Mutter, um den einzigen Sohn vor solchen Gefahren des Ritterlebens
zu bewahren, ihn in tiefer Abgeschiedenheit zu erziehen.
1 ,,— —, Her Wolfram, ein wise man von Eschenbach, sin herze ist
ganzes Sinnes dach, leien munt nie baz gesprach.“
(Wirnt von Gravenberg.)