Full text: Dichtung des Mittelalters (Teil 1)

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Dritte Periode, von 1150—1300. 
Nach höf'scher Sitte ließen sich auch vor den Frau'n, 
Der Kurzweile pflegend, die kühnen Ritter schau'n: 
Da sah man stets den Helden gern von Niederland; 
Er hatt' auf hohe Minne seine Sinne gewandt. 
Die schönen Frau'n am Hofe erfragten Märe, 
Wer der stolze fremde Recke wäre. 
„Er ist so schön gewachsen, so reich ist sein Gewand!" 
Da sprachen ihrer viele: „Das ist der Held von Niederland." 
Was man beginnen wollte, er war dazu bereit; 
Er trug in seinem Sinne eine minnigliche Maid, 
Und auch nur ihn die Schöne, die er noch nie geseh'n, 
Und die sich doch viel Gutes von ihm schon heimlich verseh'n. 
Wenn man auf dem Hofe das Wafsenspiel begann, 
Ritter sowie Knappen, immer sah es an 
Kriemhild aus den Fenstern, die Königstochter hehr; 
Keiner andern Kurzweil hinfort bedurfte sie mehr. 
Und müßt' er, daß ihn sähe, die er im Herzen trug, 
Davon hätt' er Kurzweil immerdar genug. 
Ersäh'n sie seine Augen, ich glaube sicherlich, 
Keine andre Freude hier auf Erden wünscht' er sich. 
Wenn er bei den Recken auf dem Hose stand, , 
Wie man noch zur Kurzweil pflegt in allem Land, 
Wie stand dann so minniglich das Sieglinden-Kind, * 
Daß manche Frau ihm heimlich war von Herzen hold gesinnt. 
Er gedacht' auch manchmal: „Wie soll das gescheh'n, 
Daß ich das edle Mägdlein mit Augen möge seh'n, 
Die ich von Herzen minne, wie ich schon längst gethan? 
Die ist mir noch gar fremde; mit Trauern denk' ich daran." 
So oft die reichen Könige ritten in ihr Land, 
So mußten auch die Recken mit ihnen all zur Hand. 
Auch Siegfried ritt mit ihnen: das war der Frauen Leid; 
Er litt von ihrer Minne auch Beschwer zu mancher Zeit. 
So wohnt' er bei den Herren, das ist alles wahr, 
In König Günthers Lande völliglich ein Jahr, 
Daß er die Minnigliche in all der Zeit nicht sah, 
Durch die ihm bald viel Liebes und auch viel Leides geschah. 
Wertes Abenteuer. 
Wie Siegfried mit den Sachsen stritt. 
Als der Sachsenkönig Lüdeger und Lüdegast, König von Dänemark, Günther 
Krieg ankündigen lassen, bietet Siegfried seine Hülfe an, zieht mit den Bur¬ 
gunder! in das Land der Feinde und erringt nach hartem Kampf einen glänzenden
	        
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