Full text: Beschreibende und lehrende Prosa (Teil 3)

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I. Beschreibende Prosa: Kulturgeschichte. 
Über Straßburg, Kolmar und die kleineren elsüssischen Städte, über 
Basel, Konstanz, Genf ergoß sich der Handel ins Innere von Frankreich, 
über Marseille an die Küste des Mittelmeeres; gegen Norden den Rhein 
hinab über dessen Mündungen hinaus; gegen Nordosten durch Mittel¬ 
deutschland in das Gebiet der Elbe und der Ostsee; gegen Osten durch 
Vermittlung fränkischer und schwäbischer Städte in die Länder der Donau; 
gegen Süden durch die schweizerischen Alpen nach Genua, Venedig, Mai¬ 
land, Lucca und Florenz. Über die Pässe der schweizerischen und tiro- 
lischen Alpen bildeten die süddeutschen Kaufleute die Brücke zwischen dem 
Süden Europas und dem Nordosten des Reiches und den diesem an¬ 
grenzenden slavischen Völkerschaften. 
Von größtem Einflüsse war insbesondere der Handel mit Venedig. 
Das dortige Kaufhaus der Deutschen, das sogen. Fondaco oder Fontego, 
seit seinem Neubau im Jahre 1505 an Umfang dem hanseatischen Lager¬ 
haus in Antwerpen vergleichbar, enthielt außer den Lagerräumen und 
Kaufläden die Wohnungen der deutschen Kaufleute und war zugleich die 
Herberge für die deutschen Reisenden und Pilger i. Während der Blüte¬ 
zeit des deutsch-venetianischen Handels im 15. Jahrhundert traf man dort 
gleichzeitig gemeiniglich 100 deutsche Kaufleute an. Im Jahre 1484 ver¬ 
anschlagte Felix Fabri von Ulm die jährliche Zolleinnahme Venedigs für 
die nach Deutschland gehenden Waren auf 20 000 Dukaten, und doch 
würde noch vieles hinter dem Rücken der Zolleinnehmer fortgeschafft. 
Gegenstände der Ausfuhr nach Deutschland waren hauptsächlich Gewürze, 
Feigen und andere Südfrüchte, Pfeffer, seidene Tücher und Decken, kost¬ 
bare aus Seide und Goldfaden gewobene Stoffe, Glas und Glaswaren. 
Dagegen brachten die Deutschen die Ausbeute der deutschen Bergwerke, 
Eisen, Kupfer, Blei, Zinn, Gold und Silber; von den Gewerbserzeng- 
nissen vorzugsweise Leder, Hornwaren, Wollenzenge, Leinwand, auch Pelz- 
werk aller Art nach Venedig und überhaupt nach Italien. 
Unter den Städten, welche den Handel zwischen Venedig und Deutsch¬ 
land vermittelten, stehen Regensburg, Augsburg, Ulm, Nürnberg und 
Lübeck oben an. Noch im 16. Jahrhundert, nachdem der Handel schon 
in Verfall geraten, schickten die Augsburger ihre jungen Kaufleute nach 
Venedig wie auf eine hohe Schule der Handelswissenschast; die Fugger, 
Welser, Baumgartner, Herwart, Rem und andere hatten dort bleibende 
Comptoire. 
Aber nicht bloß einzelne deutsche Städte suchten „des heiligen reiches 
Hantierung" bis an das Mittelmeer zu erstrecken und dadurch zu einem 
1 Es steht noch jetzt im belebtesten und gewerbreichsten Teile der Stadt am 
Canal grande in der Nähe der Rialtobrücke.
	        
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