Full text: Dichtung des Mittelalters (Teil 1)

§ 19. Gottfried von Straßburg. 
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Die sahen Buhurdieren, 
Die andern Tiostieren 1 : 
Wozu das Herz Verlangen trug, 
Das fand sich alles da genug. 
Denn alle, die da waren 
Von freudereifen Jahren, 
Die flissen sich im Wechselstreit 
Zu Freuden bei der Lustbarkeit. 
Und König Mark der gute. 
Der höfische, hochgemute, 
Hätt' er auch nicht alle Macht 
Verwandt auf seines Festes Pracht, 
So ließ er doch hier schauen 
Ein Wunder aller Frauen, 
Seine Schwester Blanscheslur, 
Eine Magd, so schön als nur 
Ein Weib aus Erden ward gesehn. 
Ihrer Schönheit mußte man gestehn, 
Sie sehe kein lebendiger Mann 
Mit inniglichen Augen an. 
Der nicht danach in seinem Sinne 
Fraun und Tugend höher minne. 
Gegenseitige Liebe fesselt Riwalin und Blanscheflur, so daß sie den Bund der 
Ehe stiften. Riwalin findet jedoch schon bald den Tod im Kampfe gegen einen 
Feind, und fein kurz daraus geborener Sohn Tristan ist ganz verwaist, als auch 
die Mutter stirbt. So wird derselbe von dem treuen Marschall Rual sorgfältig 
erzogen. Allseitig ausgebildet, kommt er nach abenteuerlicher Jugend zu seinem 
Oheim Marke, der den Neffen, sobald er Jüngling geworden, zum Ritter schlägt. 
Bei dem Feste der Schwertleite gedenkt Gottfried seiner dichtenden 
Vorgänger und Zeitgenossen, die er in glänzender Charakteristik hoch er¬ 
hebt; nur Wolfram von Eschenbach tadelt er in scharfen Worten. 
Ins: „Oie Zchwcrtleite" (Erhebung ;nr Mterwürde). 
Hartman der Ouwsere, 
alü, wie der diu msere 
beid’ üzen imde innen 
mit Worten und mit sinnen 
durchvärwet und durchzieret! 
wie er mit rede Agieret 
der äventiure meine! 
wie luter und wie reine 
sin kristalliniu werteten 
beidiu sint und iemer müezen sin! 
si koment den man mit siten an", 
si tuont sich nähe1 3 zuo dem man ; 
und liebent rehtem muote. 
swer guote rede ze guote 
und ouch ze rehte kan verstän, 
der muoz dem Ouwaere län 
sin schapel unde sin lôrzwî. 
swer4 nû des hasen geselle si 
und üf der wortheide 
höchsprünge und witweide 
mit bickelworten welle sin 
und ûf daz lörschapelekin 
wän âne volge welle hän, 
der läze uns bi dem wâne stän, 
wir wellen an der kür ouch wesen : 
wir 5, die die bluomen helfen lesen, 
mit den daz selbe loberis 
underflohten ist in bluomen wis, 
wir wellen wizzen, wes er ger: 
wan swer es ger, der springe her 
und stecke sine bluomen dar. 
so nemen wir an den bluomen war, 
1 Buhurdieren = einen Buhurt (eine Art Turnier) reiten; tiostieren — ritter¬ 
lichen Zweikampf führen mit Speer und Schwert. 
'l an körnen c. acc. entgegenkommen. 
3 sich nähe tuon, sich anschmiegen. 4 Wolfram von Eschenbach. 
5 Gottfried und seine Dichtergenossen.
	        
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