Full text: Dichtung des Mittelalters (Teil 1)

§ 23. Walther von ber Vogelweibe. 
207 
bewar uns an dem ende, 
sö uns der geist verlàt, 
vor helleheizen wallen, 
daz wir dar in iht vallen ! 
ez ist wol kunt uns allen, 
wie jaemerlich ez stät, 
daz hère lant vii reine, 
gar helfelös und eine. 
Ierùsalèm, nü weine, 
wie din vergezzen ist! 
der beiden überhöre 
hat dich verschelket sère, 
durch dìner namen ère 
là dich erbarmen, Krist, 
mit weih er not sie ringen, 
die dort den borgen dingen, 
daz s’ uns also betwingen, 
daz wende in kurzer trist! 
In jener schweren Stunde, 
Wo uns der Geist entgeht, 
Daß in das Glutenwallen 
Der Hölle wir nicht fallen. 
Es ist wohl kund uns allen, 
Wie jämmerlich es steht 
Das hehre Land, das reine, 
So hilflos und alleine: 
Jerusalem, nun weine, 
Wie dein vergessen ist! 
Die übermüt'gen Heiden 
An deiner Schmach sich weiden: 
Nun laß dich diese Leiden 
Erbarmen, Jesu Christ: 
Die Not, womit sie ringen, 
Die deinem Grab lobsingen. 
Daß sie uns so bezwingen, 
Das wend' in kurzer Frist! 
(Simrock.) 
Fm Zieh. 
M alrêst leb’ ich mir werde, 
sît mm sündic ouge siht 
lant daz hère und ouch die erde, 
dem man vil der êren giht. 
mir’st geschehen, des ich ie bat: 
ich bin körnen an die stat, 
da got menneschlichen trat. 
Schœniu lant, rieh unde hère, 
swaz ich der noch hän gesehen, 
so bist du’z ir aller ère. 
waz ist Wunders hie geschehen ! 
daz ein maget ein kint gebar 
hère übr aller engel schar, 
was daz niht ein wunder gar? 
Hie liez er sich reine toufen, 
daz der mensche reine si; 
dô liez er sich hie verkoufen, 
daz wir eigen wurden fn. 
anders wæren wir verlorn, 
wan sin sper, kriuz’ unde dorn : 
wê dir, beiden, deist dir zorn ! 
Leid vergesst ich und Beschwerde, 
Seit mein sündiges Auge sieht 
Diesen Strand und hier die Erde, 
Deren Preis erklingt im Lied. 
Mir geschah, wie stets ich bat, 
Da der Stütt' ich bin genaht. 
Die der Herr als Mensch betrat. 
Viele Lande, reich und mächtig, 
Hab' ich Wandersmann gesehn: 
Du, vor allen bist du prächtig! 
Was sind Wunder hier geschehn: 
Daß die Magd ein Kind gebar. 
Hehr ob all der Engel Schar, 
War das nicht ein Wunder gar? 
Hier erging des Reinen Taufe, 
Daß die Menschheit würde rein; 
Hier ergab er sich zu Kaufe, 
Um Verkaufte zu befrein. 
Ohne Speer und Kreuz und Dorn 
Tränkt' uns nie der Gnadenborn. 
Heide, das regt deinen Zorn.
	        
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