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Jakob Balde. (1603—1668.)
Jakob Balde.
Geb. 1603 zu EnsiSheim bei Colmar, 1624 Jesuit, Hofprediger in München, gest. zu Neuburg an der Donau
1668. — Deutsch hat ec wenig geschrieben; desto glänzender ist seine lateinische Poeste, meist nach den Formen
des Horaz, glühend für Religion, Freundschaft und deutsches Vaterland, ähnlich wie später Klopstock. Das
Nachstehende geben wir nach Herd er's freilich oft mehr als freier Uebersetzung; eine genauere von Aigner.
1. An die Deutschen.
(Abgekürzt.)
Unsre Väter, o Deutschland, meine Sorge!
Waren nicht, wie wir jetzt sind. Lies der
Vorwelt
Biedre Sitten und präge deiner Jugend
Sie ins Gemüth ein.
Mittelglück ist das goldne Glück des Lebens.
Breite nicht das Gefieder übers Nest aus.
Nimm die Hacke zur Hand, und übe deine
Munteren Kräfte.
Auch mit wenigem, wen'gem lebt man
glücklich;
Zu verschmähen den Reichthum ist auch
Reichthum;
Nüchtern fröhliche Armuth machet nüchtern,
Tapfer und fröhlich.
Krieg, um Kriege zu führen, ist ein Wahn¬
sinn;
Um des goldenen Friedens willen führt man
Kriege, daß in die Sichel sich des Schwertes
Schürfe verwandle.
Sieh auf andere Länder! Ziehn umher sie,
Daß sie nirgend in aller Welt, als sich nur
Fremde bleiben? Sie sehn das Ausland an mit
Stolzer Verachtung.
Und du Deutscher allein willst deine Mutter,
Aus der Fremde gekehrt, Französisch grüßen?
O, spei aus, vor der Hausthür spei der Seine
Häßlichen Schlamm aus-
Rede Deutsch, o du Deutscher! Sei kein
Künstler
In Gebärden und Sitten. Deine Worte
Sei'n wie Thaten, wie unerschütterliche
Felsen der Wahrheit!
2. Lebensrcgeln an einen Jüngling.
Früh in blühender Jugend lern', o Jüng¬
ling,
Lebensglück. Sie entfliehn, die holden Jahre!
Wie die Welle die Welle, treibet eine
Stunde die andre.
Keine kehret zurück, bis einst dein Haupt¬
haar
Schneeweiß glänzet; der Purpur deiner Lippen
Ist erblichen; nur Eine Schönheit blieb dir —
Männliche Tugend.
Ohne sie ist das Leben Tod; um sie nur
Lebt man. Schiebe nicht auf, vor allem
andern
Dich zu haben, und werd' in festem Herzen
Deiner gewiß erst.
Meide Schuld; sie verflicht mit tausend
Dornen
Dich in Strafe. Wer vor ihm selbst er-
röthet,
Tritt vors höchste Gericht, sein eigner Kläger,
Richter und Zeuge.
Steure nicht zu des Meeres Höh'; am Ufer
Schwimmt dein Nachen den Silberstrom
hinunter
Sichrer, sanfter; es lachen dir zur Seite
Grünende Wiesen.
Ueber Güterverlust erlaß dem Himmel
Deine Klagen. Verlust an Seclenschmerzen
Macht dich reich. O, erleichtre dein Gewand dir.
Zwinge den Körper.
Jnn're Schätze beglücken. Dir im Innern
Lieget Edelgestein und Gold; da grabe
In den Grüften. Von außen suchst du ewig
Ruhe vergebens.
Niedrig nenne, dem Glück zu schmeicheln;
schändlich,
Seine Gunst zu erbetteln, und zu meinen,
Wenn's den Rücken dir kehrt. Ein Knabe
Zürnend die Säule, speitschet
Die die Stirn ihm verletzte. Sieh, das
Meer trinkt
Süße Ströme, und dennoch bleibt es bitter;
Alles Bittere wird zum süßen Trank der
Lippe des Weisen.
Der Unglückliche, der mit Muth sein Unglück
Träget, gegen das Schicksal selbst erscheint er
Wie ein Sieger: „Ich bin", so spricht er
„Größer, als du bist." sschweigend,
3. Beifall.
Allen inlmer gefallen ist ein Glücksspiel,
Wenigen gefallen ein Werk der Tugend,
Wenn's die Besseren sind. Gefallen niemand
Schmerzet und kränket.
Soll ich wählen? Ich wählte gern die Mitte:
Wenigen gefallen und nur den Besten.
Aber unter beiden: ob Allen oder
Keinem? - O Keinem!