K. G. Klopslock. (1724—1803.)
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Auch gern Gott mär, so höret von inir die Geschichte des Stolzen.
Hör' du es auch in hohem Triumphe, Versammlung der Götter.
Unter dem Volke des Jordans ist seit undenkbaren Zeiten
Eine prophetische Sage geivesen: denn unter der Sonne
460. Hat vor allen Völkern dies Volk am meisten getrnnmet.
Nach der Prophezeiung entspringt von ihnen ein Heiland,
Welcher sie von den umliegenden Feinden auf einig erlöset
llnd vor allen Landen ihr Reich zu dem herrlichsten Reich macht.
Und ihr mißt, daß vor wenigen Jahren von unsrer Versammlung
46b. Einige kamen, verkündeten, daß sie auf Tabors Gebirgen
Heere feiernder Engel gesehn, die hätten den Namen
Jesus unaufhörlich genannt mit Entzücken und Ehrfurcht,
Daß die Cedern davon bis in die Wolken erbebten,
Daß die Palmenhaine der Hall der Jnbelgesänge
470. Ganz durchrauschte, und Jesus, Jesus! Tabor erfüllte.
Drauf ging, übermüthig vor Stolz und wie im Triumphe,
Gabriel nieder den Berg zu der Israelitinnen einer,
Grüßte sie, wie man Unsterbliche grüßt, und sagt' ihr voll Ehrfurcht:
Siehe, von ihr sollt' ein König entstehn, so die Herrschaften David's
475. Mächtig schützen und Israels Erbe verherrlichen würde.
Er hieß Jesus, so sollte sie nennen den Sohn der Götter!
Ewig sollte die Macht des großen Königes dauern!
Dieses vernahmt ihr. Warum erstaunten die Götter der Hölle,
Da sie es hörten? Ich selbst, ich habe viel mehr noch gesehen!
460. Doch nichts schreckt mich! Ich will euch alles muthig entdecken,
Nichts will ich euch verschweigen, damit ihr sehet, wie feurig
Sich mein Muth in Gefahren erhebt; find es anders Gefahren,
Wenn sich ein sterblicher Träumer auf unserer Erde vergöttert."
Jetzo sah er an sich des Donners Narben und zagte.
48ü. Doch arbeitet' er sehr von neuem empor zu schwellen,
Und er begann: „Dort wartet' ich auf des göttlichen Knaben
Hohe Geburt! Bald wird aus deinem Schooße, Maria,
Dacht' ich, der Göttliche kommen. Geschwinder als fliegende Blicke,
Schneller noch, wie Gedanken der Götter, von Zorne beflügelt,
400. Wird er gen Himmel erwachsen. Er deckt in seiner Erhöhung
Jetzt mit dem einen Fuße das Meer, mit dem andern den Erdkreis'
Wägt in der schreckenden Rechte dann den Mond und die Sonne,
In der Linken die Morgensterne! Da kommt er und tödtet!
Mitten in Stürmen, die er aus allen Welten herbeirief,
405. Rauscht er zum Sieg unaufhaltsam daher. Ach, fliehe nun, Sala» !
Fliehe, damit er dich nicht mit seinem allmächtigen Donner
Ungestüm fasse, bis du, durch tausend Erden geworfen,
Sinnlos, bezwungen, ja todt, in dem Unermeßlichen liegest.
Seht, so dacht' ich, ihr Götter; allein ihm gefiel es noch jetzo,
500. Daß er ein Mensch, ein weinendes Kind, wie die Söhne des Staubs, blieb,
Welche schon bei ihrer Geburt die Sterblichkeit weinen.
Zwar sang seine Geburt ein Chor der himmlischen Geister;
Denn sie kommen bisweilen herab, die Erde zu sehen,
Wo wir herrschen, die Grüfte zu sehn uno Hügel der Todten,
505. Wo vordem Paradiese nur standen; dann kehren sie thränend
Und, sich zu trösten, mit feiernden Liedern zurück in den Himmel.
Also war es auch jetzt. Sie eileten, ließen den Knaben
Oder, hört ihr's so lieber, den Herrn der Himmel im Staube.
Drauf entfloh er vor mir, ich ließ ihn immer entfliehen;
510. Einen so furchtsamen Feind zu verfolgen, war meiner nicht würdig.
Unterdeß ließ ich, nicht müßig zu sein, durch meinen Erwählten,
Meinen König und Opferpriester, Herodes, zu Bethlem
Säuglinge würgen. Das rinnende Blut, der Sterbenden Winseln
Und der untröstbaren Mütter Verzweiflung, der Leichname Ausfluß,
515. Der, mit Seelen vermischt, mir wallend entgegendampfte,