Full text: Handbuch für den deutschen Unterricht in den oberen Klassen der Gymnasien (Theil 2)

©. G. Lcssiilg, (1729-1781.) 
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zu kurz? Ein Schritt näher aus den Feind 
ersetzt, was ihm an Eisen abgeht. — Liebes 
Schwert! Welch eine schöne Sache ist ein 
Schwert zum Spiele und zum Gebrauche! 
Ich habe nie mit etwas anderem gespielt. 
Arid. (zum Strato.) O, der wuilderbaren 
Vermischung von Kind und Held! 
Phil, (bei Seite.) Liebes Schwert! Wer 
doch bald mit dir allein wäre! — Aber ge¬ 
wagt! 
Arid. Nun lege das Schwert an, Prinz, 
und folge mir. 
Phil. Sogleich! — Doch seinen Freund 
und sein Schwert muß man nicht bloß von 
außen kennen. (Er zieht es und Strato tritt zwischen 
ihn und den König.) 
Strato. Ich verstehe mich mehr auf den 
Stahl, als auf die Arbeit. Glaube mir, 
Prinz, der Stahl ist gut. Der König hat in 
seinen männlichen Jahren mehr als einen 
Helm damit gespalten. 
Phil. So stark werde ich nicht werden! 
Immerhin! — Tritt mir nicht so nahe, 
Strato! 
Strato. Warum nicht? 
Phil. So! (Indem er zurückspringt und mit 
dem Schwert einen Streich durch die Luft thut.) 
Es hat den Zug, wie es ihn haben muß. 
Arid. Prinz, schone deines verwundeten 
Armes! Du wirst dich erhitzen! 
Phil. Woran erinnerst du mich, König? 
— An mein Unglück; nein, an meine 
Schande! Ich ward verwundet und gefan¬ 
gen! Ja! Aber ich will es nie wieder wer¬ 
den! Bei diesem meinem Schwerte, ich will 
es nie wieder werden! Nein, mein Vater, 
nein! Heut spart dir ein Wunder das 
schimpfliche Lösegeld für deinen Sohn, künf¬ 
tig spart es dir sein Tod! sein gewisser Tod, 
wenn er sich wieder umringt sieht! — Wie¬ 
der umringt? — Entsetzen! — Ich bin es; 
Ich bin umringt! Was nun? Gefährten! 
Freunde! Brüder! Wo seid ihr? Alle todt? 
Ueberall Feinde? — Ueberall! — Hier¬ 
durch, Philotas! Ha! Nimm das, Verwe¬ 
gener! — Und du das! — Und du das! 
(Um sich hauend ) 
Strato. Prinz, was geschieht dir! Fasse 
dich! (Geht auf ihn zu.) 
Phil, (sich von ihm entfernend.) Auch du, 
Strato? auch du? — O, Feind, sei gro߬ 
müthig! Tödte mich! Nimm mich nicht ge¬ 
fangen! Nein, ich gebe mich nicht gefangen! 
Und wenn ihr alle Strato's wäret, die ihr 
mich umringt! Doch will ich mich gegen 
euch alle, gegen eine Welt will ich mich 
wehren! — Thut euer Bestes, Feinde! — 
Aber ihr wollt nicht? Ihr wollt mich nicht 
- tödten, Grausame! Ihr wollt mich mit Ge¬ 
walt lebendig? — Ich lache nur! Blich 
lebendig gefangen? Mich? — Eher will ich 
dieses mein Schwert, will ich — in diese 
meine Brust — eher — (Er durchsticht sich.) 
Arid. Götter! Strato! 
Strato. König! 
Phil. Das wollt' ich. (Zurück sinkend.) 
Arid. Halt ihn, Strato! — Hülfe! dem 
Prinzen zu Hülse! Prinz, welche wüthende 
Schwermut!) — 
Phil. Vergib mir, König! ich habe dir 
einen tödtlicheren Streich versetzt, als mir! 
— Ich sterbe, und bald werden beruhigte 
Länder, die Frucht meines Todes genießen. — 
Dein Sohn, König, ist gefangen, und der 
Sohn meines Vaters ist frei — 
Arid. Was hör' ich? 
Strato. So war es Vorsatz, Prinz? — 
Aber als unser Gefangener hattest du kein 
Recht über dich selbst. 
Phil. Sage das nicht, Strato! — Sollte 
die Freiheit, zu sterben, die uns die Götter in 
allen Umständen des Lebens gelassen haben, 
sollte diese ein Mensch dem andern verküm¬ 
mern können? 
Strato. O König! — Das Schrecken hat 
ihn versteinert! — König! 
Arid. Wer ruft? 
Strato. König! 
Arid. Schweige! 
Strato. Der Krieg ist aus, König! 
Arid. Aus? Das leugstdu, Strato! — 
Der Krieg ist nicht aus, Prinz! — Stirb 
nur! stirb! Aber nimm das mit, nimm den 
quälenden Gedanken mit: Als ein wahrer 
unerfahrener Knabe hast du geglaubt, daß 
die Väter alle von einer Art, alle von der 
weichlichen weibischen Art deines Vaters sind. 
— Sie sind es nicht alle! Ich bin es nicht! 
Was liegt mir an meinem Sohne? Und 
denkst du, daß er nicht eben sowohl zum 
Besten seines Vaters sterben kann, als du 
zum Besten des deinigcn? Er sterbe! Auch 
sein Tod.erspare mir das schimpfliche Lö¬ 
segeld! — Strato, ich bin nun verwais't, 
ich armer Mann! — Du hast einen Sohn; 
er sei der meinige! — — Denn einen 
Sohn muß man doch haben. — Glücklicher- 
Strato! 
Phil. Noch lebt auch dein Sohn, König! 
Und wird leben! Ich höre es! 
Arid. Lebt er noch? — So muß ich 
ihn wieder haben! Und für dich! — Oder- 
ich will deinem todten Körper so viel Unehre, 
so viel Schmach erzeigen lassen! — Ich will 
ihn — 
Phil. Den todten Körper! — Wenn du 
dich rächen willst, König, so erwecke ihn 
wieder! 
Arid. Ach! — wo gerath' ich hin!
	        
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