Schiller. (1759-1805.)
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„Und diese Pflicht, mein Sohn," versetzt
Der Meister, „hast du frech verletzt:
Den Kampf, den das Gesetz versaget,
Hast du mit frevelm Muth gewaget!" —
„Herr, richte, wenn du alles weißt,"
Spricht jener mit gesetztem Geist;
„Denn des Gesetzes Sinn und Willen
Vermeint' ich treulich zu erfüllen.
Nicht unbedachtsam zog ich hin,
Das Ungeheuer zu bekriegen;
Durch List und kluggewandten Sinn
Versucht' ich's, in dem Kampf zu siegen.
„Fünf unsres Ordens waren schon,
Die Zierden der Religion,
Des kühnen Muthes Opfer worden:
Da wehrtest du den Kampf dem Orden.
Doch an dem Herzen nagten mir
Der- Unmuth und die Streitbegier.
Ja, selbst im Traum der stillen Nächte
Fand ich mich keuchend im Gefechte,
Und wenn der Morgen dämmernd kam
Und Kunde gab von neuen Plagen,
Da faßte mich ein wilder Gram,
Und ich beschloß, es frisch zu wagen.
„Und zu mir selber sprach ich dann:
Was schmückt den Jüngling, ehrt den Mann?
Was leisteten die tapfern Helden,
Von denen uns die Lieder melden,
Die zu der Götter Glanz und Ruhm
Erhob das blinde Heidenthum?
Sie reinigten von Ungeheuern
Die Welt in kühnen Abenteuern,
Begegneten im Kampf dem Leu'n
lind rangen mit dem Minotauren,
Die armen Opfer zu befrein,
Und ließen sich das Blut nicht dauren.
„Ist nur der Saracen' es werth,
Daß ihn bekämpft des Christen Schwert?
Bekriegt er nur die falschen Götter?
Gesandt ist er der Welt zum Retter,
Von jeder Noth und jedem Harm
Befreien muß sein starker Arm;
Doch seinen Muth muß Weisheit leiten,
Und List muß mit der Stärke streiten.
So sprach ich oft und zog allein,
Des Raubthiers Fährte zu erkunden.
Da flößte mir der Geist es ein;
Froh rief ich aus: Ich hab's gefunden!
„Und trat zu dir und sprach dies Wort:
Mich zieht es nach der Heimat fort.
Du, Herr, willfahrtest meinen Bitten,
Und glücklich ward das Meer durchschnitten.
Kaum stieg ich aus am heim'schen Strand,
Gleich ließ ich durch des Künstlers Hand,
Getreu den wohlbenierkten Zügen,
Ein Drachenbild zusammenfügen.
Auf kurzen Füßen wird die Last
Des langen Leibes aufgethürmet;
Ein schuppicht Panzerhemd umfaßt
Den Rücken, den es furchtbar schirmet.
„Lang strecket sich der Hals hervor.
Und gräßlich, wie ein Höllenthor,
Als schnappt' es gierig nach der Beute,
Eröffnet sich des Nachens Weite,
Und aus dem schwarzen Schlunde dräun
Der Zähne stachelichte Reih'n,
Die Zunge gleicht des Schwertes Spitze,
Die kleinen Augen sprühen Blitze,
In eine Schlange endigt sich
Des Rückens ungeheure Länge,
Rollt um sich selber fürchterlich,
Daß es um Mann und Roß sich schlänge.
„Und alles bild' ich nach genau
Und kleid' es in ein scheußlich Grau:
Halb Wurm erschien's, halb Molch und Drache,
Gezeuget in der gist'gen Lache.
Und als das Bild vollendet war,
Erwähl' ich mir ein Doggenpaar,
Gewaltig, schnell, von flinken Läufen,
Gewohnt, den wilden Ur zu greifen;
Die hetz' ich auf den Lindwurm an,
Erhitze sie zu wildem Grimme,
Zu fassen ihn mit scharfen^ Zahn,
Und lenke sie mit meiner Stimme.
„Und wo des Bauches weiches Vließ
Den scharfen Bissen Blöße ließ,
Da reiz' ich sie, den Wurm zu packen,
Die spitzen Zähne einzuhacken.
Ich selbst, bewaffnet mit Geschoß,
Besteige mein arabisch Roß,
Von adeliger Zucht entstammet,
Und als ich seinen Zorn entflammet,
Rasch auf den Drachen spreng' ich's los
Und stachl' es mit den scharfen Sporen,
Und werfe zielend mein Geschoß,
Als wollt' ich die Gestalt durchbohren.
„Ob auch das Roß sich grauend bäumt -
Und knirscht und in den Zügel schäumt,
Und meine Doggen ängstlich stöhnen,
Nicht rast' ich, bis sie sich gewöhnen.
So üb' ich's aus mit Aemsigkeit,
Bis dreimal sich der Mond erneut;
Und als sie jedes recht begriffen,
Führ' ich sie her auf schnellen Schiffen.
Der dritte Morgen ist es nun,
Daß mir's gelungen, hier zu landen:
Den Gliedern gönnt' ich kaum zu ruhn,
Bis ich das große Werk bestanden.
„Denn heiß erregte mir das Herz
Des Landes frisch erneuter Schmerz:
Zerrissen fand man jüngst die Hirten,
Die nach dem Sumpfe sich verirrten,
Und ich beschließe rasch die That.
Nur von dem Herzen nehm' ich Rath.
Flugs unterricht' ich meine Knappen,
Besteige den versuchten Rappen,
Und von dem edlen Doggenpaar
Begleitet auf geheimen Wegen,
Wo meiner That kein Zeuge war,
Reit' ich dem Feinde frisch entgegen.